Hört mir gut zu, ihr Snobs: André Butzer ist kein gewöhnlicher Maler. Dieser deutsche Koloss, geboren 1973 in Stuttgart, hat ein malerisches Vokabular erfunden, das auf einem Rasiermesser zwischen der viszeralsten Ausdruckskraft und einem unnachgiebigen historischen Bewusstsein balanciert. Sein “Science-Fiction-Expressionismus”, wie er ihn selbst nennt, ist eine unwahrscheinliche Fusion, die ästhetisch in der Katastrophe hätte enden können, sich aber als einer der singularsten Vorschläge der zeitgenössischen Malerei erweist. Butzer gehört zu jenen Künstlern, die einen aufrütteln, mitunter reizen, aber niemals gleichgültig lassen.
Nur Fans pasteurisierter Malerei sollten vor seinem Werk Abstand nehmen. Die anderen bereiten sich auf eine verstörende Begegnung mit einer bildlichen Welt vor, die beharrlich jede Einfachheit, jede konsensuelle Schönheit, jede vorgefertigte Harmonie verweigert. Es ist eine Welt, in der Widersprüche schamlos zur Schau gestellt werden, in der Unschuld der Grausamkeit begegnet und das Spielerische die historische Tragödie kaum verhüllt.
Butzer malträtiert die Leinwand mit kalkulierter Gewalt und erschafft Figuren, die an Comic-Zeichnungen mit hervorquellenden Augen erinnern und dich wie gequälte Geister anstarren. Diese Wesen, halb Disney-Figuren, halb gequälte Gestalten von Edvard Munch, verkörpern einen fundamentalen Widerspruch: Wie kann Unschuld mit historischem Grauen koexistieren? Wie kann die Massenkultur mit kollektiven Traumata in Dialog treten? Wie kann die klare Comic-Linie das unerträgliche Gewicht der Erinnerung tragen? Diese Fragen durchziehen sein Werk wie Erdbebenrisse, bereit, alles zu verschlingen.
Diese Frage führt uns direkt zu einer wesentlichen Referenz zum Verständnis von Butzer: dem Existenzialismus von Jean-Paul Sartre. In Das Sein und das Nichts schreibt Sartre, dass “die Existenz der Essenz vorausgeht” [1], eine Formel, die Butzers Ansatz perfekt beschreiben könnte. Seine Figuren scheinen zu existieren, bevor sie überhaupt einen Sinn haben; sie werden auf die Leinwand geworfen, wie wir in die Welt geworfen werden, in einem Zustand grundsätzlicher Absurdität. “Die Wesen mit Köpfen wie Ballons haben keine stabile Existenz”, bemerkt der Kritiker Thomas Groetz zu Butzers Figuren, “als ob ihre Materialisierung tragisch den Beginn ihres Verfalls ankündigt” [2].
Die existentialistische Angst nach Sartre durchdringt jede Figur von Butzer. Schauen Sie diese entstellten Gesichter, diese übertrieben geöffneten Augen an: Sie zeigen dieses entsetzte Bewusstsein des Daseins in der Welt ohne Gebrauchsanweisung, ohne vorgegebene Bestimmung. Der entsetzte Blick dieser Kreaturen ist der eines Wesens, das zugleich seine Freiheit und seine Endlichkeit, seine Handlungsfähigkeit und seine grundlegende Ohnmacht entdeckt. Ihre Entstellung ist nicht zufällig; sie ist der plastische Ausdruck einer existenziellen Wahrheit, die wir normalerweise zu ignorieren bevorzugen.
Dieser existenzielle Zustand ist besonders sichtbar in seiner Serie “Friedens-Siemense”, diesen grotesken Figuren mit erstarrten Lächeln und leeren Augen, die scheinbar das Gewicht einer unverdauten Geschichte tragen. Die “Friedens-Siemense” sind nicht nur Figuren; sie verkörpern einen verzweifelten Versuch, die verlorene Unschuld mit dem historischen Bewusstsein zu versöhnen, die Naivität der Kindheit mit der traumatischen Klarheit des Erwachsenenalters. Ihre unverhältnismäßigen Körper, zerbrechlichen Glieder und zwischen Lachen und Schrecken festgehaltenen Ausdrücke zeugen von dieser ungelösten Spannung.
Sie leben in “NASAHEIM”, einem vom Künstler erfundenen Neologismus, der NASA und Anaheim (die Heimat des Disneyland) kombiniert, einem imaginären und unerreichbaren Ort, an dem laut Butzer alle Farben bewahrt werden. Es ist die Utopie als Zuflucht vor dem Unerträglichen der Realität. Durch die Schaffung dieses fiktiven Ortes flieht Butzer nicht vor der Wirklichkeit; er erfindet einen mentalen Raum, in dem Widersprüche koexistieren können, ohne sich gegenseitig aufzuheben, in dem das Unvertretbare Gestalt annehmen kann, in dem das Unversöhnliche einen visuellen Ausdruck findet.
Der sartre’sche Existentialismus hilft uns zu verstehen, wie Butzer der Absurdität der Welt begegnet, ohne in den Nihilismus zu verfallen. Sartre erinnert uns daran, dass “der Mensch zur Freiheit verurteilt ist” [3], und genau diese radikale Freiheit scheint Butzer in seiner Malerei zu beanspruchen, in der die klassischen Kompositionsregeln zugunsten einer rohen Expressivität verworfen werden. Seine Bilder sind Akte, Bejahungen der Präsenz angesichts des Nichts. Die Farbspritzer, anatomischen Verzerrungen, komprimierten oder gedehnten Räume sind keine stilistischen Effekte, sondern existentielle Entscheidungen, Wahlakte, die das Seinkünstlersein Butzers gegenüber der Kunstgeschichte und der Geschichte überhaupt definieren.
Freiheit ist für Butzer wie für Sartre kein Geschenk, sondern eine Bürde. Sie bringt eine Verantwortung mit sich, die erdrückend sein kann. Denken Sie an die Art und Weise, wie Butzer die Farbe behandelt: Seine Gemälde wirken manchmal bis zum Überdruss gesättigt, als ob die Freiheit des Malens bis zum Bruchpunkt getrieben wird. Es liegt etwas Schwindelerregendes in diesem Farbrausch, ein Gefühl des Rausches, das seine eigene Negation enthält. Die Farbe dient nicht der Beruhigung, sondern konfrontiert uns mit einem Übermaß, mit einem Zuviel, das unsere Lage als freie und endliche Subjekte widerspiegelt.
Aber Butzer bleibt nicht stehen. Sein künstlerischer Weg, der von farbenfrohen expressionistischen Figuren zur geometrischen Abstraktion der “N-Paintings” (diese fast monochromen Werke, durchzogen von mysteriösen vertikalen Linien) führt, erinnert an eine spirituelle, fast mystische Suche. Der Übergang vom Figurativen zum Abstrakten ist keine bloße stilistische Entwicklung; es ist eine metaphysische Suche, ein Versuch, das Wesen der Malerei jenseits ihrer zufälligen Erscheinungsformen zu erreichen. Die “N-Paintings” sind keine Verneinung seiner früheren Werke, sondern deren dialektische Überwindung, ihre Sublimierung in einer gereinigteren, essenzielleren Form. Und hier kommt die ästhetische Philosophie von Theodor Adorno ins Spiel.
In seiner Reflexion über die moderne Kunst entwickelt Adorno die Idee, dass die tiefgründigsten Werke diejenigen sind, die eine ungelöste Spannung bewahren, anstatt eine künstliche Versöhnung anzubieten. Diese Perspektive beleuchtet die “N-Paintings” von Butzer perfekt, jene Werke, die auf den ersten Blick jeglicher Expressivität entbehrt scheinen, aber in ihrer Schlichtheit eine untergründige emotionale Kraft enthalten. Diese Gemälde sind keine Endpunkte, sondern Schwellen, wie der Künstler selbst andeutet. Sie materialisieren das, was Adorno als “Wahrheitsgehalt” bezeichnen würde, der sich einer direkten Konzeptualisierung entzieht, eine Wahrheit, die sich nur in der sinnlichen Form des Werkes manifestieren kann.
Was Butzer in seinen “N-Paintings” sucht, ist nicht der Ausdrucksmangel, sondern seine paradoxe Intensivierung durch Reduktion und Reinigung. Wie er selbst erklärt: “N ist eine Zahl oder ein heiliger Buchstabe, der Künstlern hilft, ihren Weg durch ihre Leinwände zu schaffen und zu finden. N ist sein eigener Souverän und kennt weder Maße noch irdische Grade.” Diese fast mystische Auffassung der abstrakten Form trifft das, was Adorno in der Kunst suchte: nicht ein Mittel zur Flucht, sondern eine Art, die Gesellschaft mit ihren eigenen Widersprüchen, mit ihrem eigenen nicht realisierten Potenzial zu konfrontieren.
Adorno hilft uns auch zu verstehen, wie Butzer zwischen Populärkultur und “Hochkultur” navigiert. Für Adorno verwandelt die Kulturindustrie die Kunst in standardisierte Ware, die den sozialen Status quo erhält. Butzer scheint sich dieser Gefahr bewusst zu sein, wenn er Referenzen an Disney oder Comics in sein Werk einbindet, jedoch nicht um naiv die Massenkultur zu feiern, sondern um sie von innen heraus zu unterwandern. Seine Figuren, die Cartoon-ähnliche, überproportionale Augen besitzen, sind nicht unschuldig; sie tragen die Narben einer traumatischen deutschen Geschichte.
Adornos “negative Dialektik” findet eine auffallende Entsprechung in Butzers Weigerung, einfache Lösungen für Widersprüche anzubieten. Seine Figuren sind weder einfach komisch noch einfach tragisch; sie existieren in einem unbequemen Dazwischen, das jeder Kategorisierung widersteht. Ebenso sind seine abstrakten Gemälde weder nur formal noch nur emotional; sie bewohnen einen Zwischenraum, der unsere ästhetischen Erwartungen herausfordert. Diese Negativität ist kein Nihilismus, sondern eine Form des Widerstands gegen eine identitäre Denkweise, die alles auf Bekanntes, Kategorisiertes reduzieren möchte.
In einem Interview erklärte Butzer: “Ich habe Heinrich Himmler, Adolf Eichmann und wen sonst noch… genommen und als Gemälde dargestellt. Sie werden die Leinwände bis zu meinem Tod verschmutzen, und ich bin derjenige, der meine Leinwände immer wieder vor dem Publikum reinigt, aber ich kann es nicht. Sie bleiben kontaminiert” [4]. Diese Kontamination, diese Unmöglichkeit, der Geschichte zu entkommen, spiegelt Adornos Überlegung wider, dass es keine Poesie nach Auschwitz geben kann, nicht als wörtliches Verbot, sondern als Forderung des Bewusstseins.
Die Radikalität von Butzer besteht gerade darin, nicht so zu tun, als existiere diese Geschichte nicht, nicht den Anspruch auf wiedererlangte Unschuld, auf ästhetische Jungfräulichkeit zu erheben. Im Gegenteil, er übernimmt diese Kontamination vollständig und macht sie zur eigentlichen Materie seiner Arbeit. Jedes Gemälde wird so zu einem Schlachtfeld, auf dem der Kampf zwischen dem Willen zum Ausdruck und dem Bewusstsein für die Grenzen dieses Ausdrucks, zwischen dem Bedürfnis zu schaffen und der Klarheit über die historischen Kompromisse der Schöpfung ausgetragen wird.
Wie malt man nach dem Schrecken? Wie verwendet man ein Medium, das von allen Ideologien vereinnahmt wurde, einschließlich der mörderischsten? Butzer beansprucht nicht, die Antwort zu haben, aber er stellt sich der Frage mit brutaler Ehrlichkeit. Seine Gemälde verkörpern dieses Dilemma, ohne es zu lösen, ohne eine Wunderlösung anzubieten. Sie sind der Ausdruck einer Spannung, eines lebendigen Widerspruchs, der im Herzen unserer Gegenwart liegt.
Butzers verzerrte Gesichter mit ihren riesigen Augen und deformierten Mündern sind daher keine einfachen Zitate der Populärkultur, sondern Masken, die die der Gewalt zugrunde liegende Grundlage unserer Zivilisation offenbaren. Sie sind wie Geister, die das europäische Bewusstsein heimsuchen, Gespenster der Vergangenheit, die sich weigern zu verschwinden. Es sind Präsenzformen, die unsere Beziehung zur Unterhaltung, zur Ablenkung, zum kollektiven Vergessen infrage stellen. Wenn uns normalerweise Zeichentrickfiguren zum Lachen bringen, lassen uns Butzers Figuren mit den Zähnen knirschen, verunsichern uns, konfrontieren uns mit unserer eigenen Mittäterschaft an einem Repräsentationssystem, das mehr betäubt als es aufweckt.
In diesem Sinne praktiziert Butzer das, was Adorno “negative Ästhetik” nennt, die sich einer einfachen Versöhnung widersetzt und auf den Widersprüchen beharrt. Er weigert sich, Kunst zu schaffen, die trösten, beruhigen oder einen illusorischen Ausweg bieten würde. Seine Arbeit ist kompromisslos, ohne Nachgiebigkeit gegenüber der Bequemlichkeit oder dem Komfort des Betrachters. Er stellt uns dem gegenüber, was wir lieber nicht sehen würden, dem, was wir vergessen wollen.
Diese dialektische Spannung ist besonders sichtbar in der Art, wie Butzer mit Farbe umgeht. Seine frühen Werke explodieren in einem chromatischen Orgienrausch, fast psychedelisch, als ob die Farbe ein Gegenmittel gegen das historische Grauen wäre. Die säuerlichen Töne, die starken Kontraste, die unwahrscheinlichen Nebeneinanderstellungen schaffen ein visuelles Universum, das der Schwere der Geschichte zu entkommen scheint und sich doch ständig darauf bezieht. Es ist keine dekorative oder einfach expressive Farbe; es ist eine Farbe, die eine historische Last und ein kollektives Gedächtnis in sich trägt.
Dann zieht er sich in seinen “N-Paintings” scheinbar in eine monochrome Askese zurück. Dieser Übergang vom Übermaß zum fast Nichts ist kein Verzicht, sondern eine Intensivierung. Wie in Adornos negativer Dialektik ist die formale Reduktion keine Verarmung, sondern eine Konzentration, eine Destillation, die auf das Wesentliche abzielt. Diese scheinbar monochromen Gemälde offenbaren, wer sich die Zeit nimmt, sie wirklich zu betrachten, unendliche Nuancen, subtile Variationen, eine ganze Welt, die in dem enthalten ist, was auf den ersten Blick einheitlich erscheint.
Aber wie Butzer selbst sagt: “Ich weigere mich, von ‘Schwarzweißgemälden’ zu sprechen. Ich kann das nicht einmal aussprechen. Es klingt wie Grafikdesign. Es ist das Gegenteil; es gibt keinen Kontrast oder Design, kein Schwarz und Weiß. Was ich sehe, ist ein Klangensemble. Ich habe nie über Horizontal-Vertikal nachgedacht und habe weder Schwarz noch Weiß im Sinn. Das sind dualistische Kategorien, die ich nicht sehe. Ich sehe nur Farbe.”
Dieses Verständnis von Farbe als lebendige Einheit, als “Klangensemble”, erinnert an Adornos Sicht auf Kunst als eine Form nicht-konzeptuellen Wissens. Für Adorno vermittelt wahre Kunst keine Botschaft, sondern ist eine Erfahrung an sich, die sich nicht auf diskursives Denken reduzieren lässt. Ebenso sind Butzers Gemälde nicht zu “lesen”, sondern in ihrer sinnlichen Materialität zu erfahren. Sie sind keine Illustrationen von Ideen, sondern fühlbare Verkörperungen von Widersprüchen, Spannungen, Aporien, die sich nur in künstlerischer Form manifestieren können.
Die von Butzer vorgeschlagene Synästhesie, wenn er vom “Klangbild” spricht, ist bedeutungsvoll. Sie zeigt, dass die Malerei für ihn nicht in ihrer eigenen medialen Spezifität eingeschlossen ist, sondern das gesamte sensible Wesen einbezieht und eine komplexe Wahrnehmung anspricht, die über die etablierten Kategorien hinausgeht. Diese ganzheitliche Sicht auf die ästhetische Erfahrung korrespondiert mit der adornianischen Kritik der instrumentellen Vernunft, die trennt, kategorisiert und separiert und dadurch ein umfassenderes und wahreres Erfassen der Realität beeinträchtigt.
Die Entwicklung von Butzer ist interessant: Nach seinen farbigen und dann monochromen Phasen hat sein Umzug nach Kalifornien im Jahr 2018 Werke hervorgebracht, die “vor Farbfrische überfließen, eine erweiterte Familie von Linien und Figurationen mit neuen Haltungen, die durch ihre Erfahrungen an der äußersten Grenze der Abstraktion verfeinert wurden”. Diese malerische Erneuerung ist keine Ablehnung seiner früheren Erkundungen, sondern deren dialektische Fortsetzung, deren Überwindung, die das Wesentliche bewahrt. Das kalifornische Licht löscht nicht die deutschen Schatten; es verwandelt, rekonfiguriert sie und verleiht ihnen eine neue Intensität.
Diese geographische Veränderung ist nicht bedeutungslos. Sie erinnert an andere künstlerische Exile, an andere Ortswechsel, die die Sicht ihrer Urheber verändert haben, denken Sie an Mondrian in New York, Rothko in Houston, Kandinsky in Paris. Aber im Gegensatz zu diesen Künstlern, die den Totalitarismen entflohen sind, wählt Butzer sein Exil in einer Zeit, in der Deutschland eine stabile Demokratie geworden ist. Seine Verlagerung ist weniger politisch als ästhetisch, weniger eine Flucht als eine Suche. Er sucht dieses besondere Licht, diese atmosphärische Qualität, die für die Maler, die in Kalifornien gelebt haben, von großer Bedeutung war, von Richard Diebenkorn bis David Hockney.
Dieser Weg ähnelt einer spirituellen Suche, einem Weg zu einer Form der Transzendenz, die paradoxerweise durch die radikalste Immanenz, durch die materielle Beschaffenheit der Malerei führt. Butzer versucht nicht, der Welt zu entkommen, sondern tiefer in sie einzutauchen, um die verborgensten Schichten, die für das gewöhnliche Bewusstsein am wenigsten zugänglichen Dimensionen zu erforschen. Seine Gemälde sind Sonden, die ins Unbekannte geworfen werden, Versuche, das Chaos zu zähmen, dem Formlosen eine Gestalt zu geben.
Butzer verkörpert dieses Paradoxon: Er schafft eine Kunst, die tief in der tragischen Geschichte Deutschlands verwurzelt ist, während er versucht, sich davon zu befreien; er schöpft aus der Populärkultur und unterwandert sie zugleich; er umarmt den expressionistischen Chaos und strebt dabei nach einer Form abstrakter Reinheit. Er bewegt sich zwischen diesen gegensätzlichen Polen, ohne sich je festzulegen, und erhält eine produktive Spannung, die seinem Werk seine besondere Vitalität verleiht. Seine Arbeit ist eine ständige Aushandlung widersprüchlicher Kräfte, ein zerbrechliches Gleichgewicht, das jederzeit kippen könnte, aber auf wunderbare Weise hält.
Gerade diese ungelöste Spannung macht ihn zu einem der anregendsten Maler seiner Generation. In einer künstlerischen Welt, die oft zwischen einem entkörperlichten Konzeptualismus und naivem Expressionismus, zwischen abgeklärtem Zynismus und leichtem Sentimentalismus gespalten ist, schlägt Butzer einen eigenständigen Weg ein, der diese falschen Alternativen verweigert. Er erinnert uns daran, dass Malerei noch immer ein Feld existenzieller Erforschung sein kann, ein Raum, in dem die Widersprüche unserer Zeit keine illusorische Lösung, sondern einen authentischen Ausdruck finden können.
Butzers Kühnheit liegt darin, niemals der Versuchung der einfachen Auflösung nachzugeben. Er bleibt im Unbehagen, in der Widersprüchlichkeit, in dem, was Sartre als “bewusste schlechte Glaube” bezeichnen würde. Seine Bilder zwingen uns, uns mit unseren eigenen Widersprüchen, unseren historischen Geistern, unserer eigenen Komplizenschaft mit einem kulturellen System auseinanderzusetzen, das wir kritisieren, dem wir aber nicht entkommen können.
Wie kann man diese Figuren mit vorgewölbten Augen betrachten, ohne an unseren eigenen erstarrten Blick auf die Geschichte zu denken? Wie kann man diese strahlenden Farben betrachten, ohne über unser Bedürfnis nach Blendung nachzudenken, um Schattenbereiche zu vergessen? Wie kann man diese chaotischen Kompositionen analysieren, ohne das grundlegende Durcheinander unserer eigenen Weltwahrnehmung anzuerkennen? Butzer hält uns einen verzerrten Spiegel vor, aber einen zutiefst aufschlussreichen. Er zeigt uns, was wir sind, nicht wie wir sein möchten, sondern wie wir tatsächlich sind: widersprüchlich, fragmentiert, von Kräften durchdrungen, die wir nicht kontrollieren.
Butzers Kunst ist kein Balsam, sondern eine offene Wunde. Sie heilt nicht, sie legt offen. Sie versöhnt nicht, sie spaltet. Und genau darin liegt ihre kathartische Kraft. Denn indem er uns nicht den leichten Trost einer harmonischen Kunst anbietet, schenkt uns Butzer etwas viel Wertvolleres: eine unverblümte Wahrheit, eine kompromisslose Authentizität. Seine Gemälde sind wie visuelle Faustschläge, die unser Bewusstsein aufwecken, das vom stetigen Strom glatter und reibungsloser Bilder, die unsere Kultur produziert, betäubt wurde.
Und vielleicht liegt genau darin die wahre Stärke seiner Arbeit: nicht in irgendeiner technischen Virtuosität (obwohl er davon reichlich besitzt), sondern in seiner Fähigkeit, uns in einem Zustand produktiven Unbehagens zu halten, uns daran zu hindern, uns in ästhetischen oder politischen Sicherheiten einzurichten. Butzer zwingt uns, wachsam zu bleiben, unsere Position als Betrachter ständig zu hinterfragen und anzuerkennen, dass Kunst kein Zufluchtsort vor der Geschichte ist, sondern ein Mittel, sie in all ihrer Komplexität zu konfrontieren.
In diesem Kontext erscheinen die “N-Paintings” nicht als Verzicht auf Ausdruckskraft, sondern als deren Quintessenz. Durch die Reduzierung der Malerei auf das, was scheinbar ihre grundlegendsten Elemente sind, eine graue Fläche und einige vertikale und horizontale Linien, vereinfacht Butzer nicht, er intensiviert. Er schafft visuelle Kraftfelder, in denen jede noch so subtile Variation eine übermäßige Bedeutung erhält. Diese Gemälde sind wie Landschaften nach der Katastrophe, Räume, in denen das Leben weitergeht, aber in verdünnter, essentieller Form. Sie sprechen von Überleben, Beharrlichkeit, von dem, was bleibt, wenn alles andere verschwunden ist.
Also suchen Sie beim nächsten Betrachten eines Butzer nicht danach, ihn wie ein Rätsel zu “verstehen”. Lassen Sie sich von seinen farbigen Gespenstern verfolgen, lassen Sie sich von seinen Widersprüchen durchdringen, akzeptieren Sie das Unbehagen, das er anbietet, als Einladung, anders zu denken. Denn vielleicht liegt darin die eigentliche Funktion der Kunst: uns nicht zu trösten, sondern uns zu beunruhigen; uns nicht zu beruhigen, sondern uns zu destabilisieren. Und Butzer erinnert uns in seiner visuellen Unerbittlichkeit, in seiner Ablehnung jeglicher Leichtigkeit, an diese grundlegende Wahrheit.
Lassen Sie sich von diesen riesigen Augen verwirren, die Sie anstarren, von diesen verzerrten Mündern, die in der Stille zu schreien scheinen, von diesen deformierten Körpern, die unsere Vorstellungen von Schönheit herausfordern. Akzeptieren Sie es, gestört, orientierungslos, ja sogar verärgert zu sein. Genau in dieser Verwirrung, in diesem Ungleichgewicht liegt der Wert dieses Werks. Butzer will nicht geliebt werden; er will notwendig sein. Und das ist er mehr denn je.
- Sartre, Jean-Paul, Das Sein und das Nichts, Gallimard, 1943.
- Groetz, Thomas, „In den Latrinen”, in Butzer: Haselnuß, Ausstellungskatalog, Galerie Guido W. Baudach, Berlin, 2005.
- Sartre, Jean-Paul, Der Existentialismus ist ein Humanismus, Nagel, 1946.
- Butzer, André, Interview mit John Newsom, “André Butzer”, Flash Art, 23. November 2015.
















