Hört mir gut zu, ihr Snobs. Hier ist Annie Morris, diese britische Künstlerin, die uns mit farbigen Gipskugeln die menschlichsten Geschichten erzählt. In einer Welt, in der zeitgenössische Kunst sich manchmal in der verspieltsten Raffinesse gefällt, erinnert uns Morris daran, dass Schönheit oft aus roher Einfachheit und reiner Emotion entsteht. Ihre Skulpturen “Stack”, diese wackeligen Türme aus mit reinen Pigmenten bemalten Kugeln, tragen eine so universelle Wahrheit in sich, dass sie für unsere Zeit des allgegenwärtigen Zynismus beinahe unangenehm wird.
Geboren 1978 in London entwickelt Annie Morris eine bildnerische Sprache, die ihre Wurzeln in der schmerzhaftesten Erfahrung hat: dem Verlust eines Kindes. 2014, konfrontiert mit dem Tod ihres ersten Kindes im Mutterleib, findet sie in der skulpturalen Schöpfung einen Weg, das Unaussprechliche auszudrücken. Aber Vorsicht, lassen wir uns nicht täuschen: Morris ist keine Künstlerin der Klage. Sie ist es, die Trauer in Feier verwandelt, Zerbrechlichkeit in eine Kraft, die die Gesetze der Physik herausfordert.
Morris’ Universum gründet tief in einem intuitiven Verständnis des fragilen Gleichgewichts, das unser Dasein bestimmt. Ihre “Stacks” erheben sich wie zeitgenössische Totems, jede Kugel ruht auf der nächsten in einem Gleichgewicht, das dem Verstand zu trotzen scheint. In Schaum geschnitzt, dann mit Gips und Sand bedeckt und mit reinen Pigmenten bemalt, Ultramarin, Viridiangrün, Ocker, atmen diese Werke eine beeindruckende Vitalität. Die Künstlerin selbst beschreibt sie als “Personen”, die in ihrem Londoner Atelier in Stoke Newington, diesem ehemaligen Hummus-Lager, in dem sie mit ihrem Ehemann, dem Künstler Idris Khan, lebt, miteinander kommunizieren.
Die Ausbildung von Morris bei Giuseppe Penone an der École nationale supérieure des Beaux-Arts in Paris zwischen 1997 und 2001 verdient besondere Aufmerksamkeit. Penone, eine bedeutende Figur der Arte Povera, entwickelte im Laufe seiner Karriere eine künstlerische Philosophie, die die Beziehung zwischen Mensch und Natur in den Mittelpunkt seiner Forschung stellt [1]. Diese italienische Bewegung der 1960er Jahre, theoretisiert vom Kunstkritiker Germano Celant, propagierte die Verwendung von “armen” Materialien und einen direkten, unverfälschten Ansatz der künstlerischen Schöpfung [2]. Bei Penone manifestiert sich diese Philosophie in einer ständigen Erkundung der natürlichen Prozesse und ihrer Wechselwirkung mit menschlichem Eingriff. Seine Bronzeskulpturen von Bäumen, seine Körperabdrücke im pflanzlichen Material oder auch seine Überlegungen zu Atmung und Wachstum zeugen von einer Weltanschauung, in der Kunst ein Mittel wird, um die geheimnisvollen Verbindungen zwischen allen Lebewesen zu offenbaren.
Dieser Einfluss der Arte Povera zeigt sich deutlich in Morris’ Ansatz, obwohl ihre plastische Sprache sich formal davon entfernt. Wie Penone bevorzugt sie eine direkte Beziehung zu ihren Materialien, schnitzt jede Kugel von Hand aus dem Schaumstoff, trägt Gips und Sand in aufeinanderfolgenden Schichten auf und behandelt reine Pigmente mit einer Sinnlichkeit, die an die ursprünglichen Gesten eines Töpfers erinnert. Aber wo Penone die geologische und pflanzliche Zeitlichkeit erforscht, interessiert sich Morris für die menschliche Zeitlichkeit, für jene Wendepunkte, an denen das Leben seine grundlegende Fragilität offenbart. Ihre Skulpturen tragen in sich diese dauerhafte Spannung zwischen Aufbau und Zusammenbruch, die das menschliche Dasein auszeichnet. Jeder “Stack” scheint die Gesetze der Schwerkraft herauszufordern, gehalten im Gleichgewicht durch eine unsichtbare Stahlstange, die die Kugeln durchdringt und so die Illusion von Prekarität erzeugt, die ihren ganzen Charme und metaphorischen Kraft ausmacht.
Penones Lehre vermittelte Morris auch eine besondere Aufmerksamkeit für die intrinsischen Qualitäten der Materialien. Der italienische Künstler vertrat die Auffassung, dass jedes Material seine eigene Erinnerung, seine eigenen expressiven Kapazitäten besitzt, die zu enthüllen sind, anstatt sie einzuschränken. Diese Philosophie schwingt tief in Morris’ Praxis mit, die viele Stunden damit verbringt, die Reaktionen der Pigmente auf dem rauen Gips zu experimentieren und dabei die pudrige und fragile Textur zu bewahren, die die frisch aus dem Gefäß kommenden reinen Farben charakterisiert. Sie erklärt, dass sie möchte, dass ihre Skulpturen diesen “nicht getrockneten” Aspekt der Farbe beibehalten, diese Unmittelbarkeit, die die Farbe im Licht zum Schwingen bringt.
Diese Suche nach Unmittelbarkeit führt uns natürlich zur zweiten Reflexionsachse, die das Werk von Morris aufwirft: ihre komplexe Beziehung zum Existentialismus, insbesondere in seiner greifbarsten und körperlichsten Dimension. Wenn man den Ansatz der britischen Künstlerin mit bestimmten existentialistischen Anliegen in Verbindung bringen kann, dann weniger durch eine direkte intellektuelle Abstammung als durch eine intuitive Annäherung an grundlegende Fragestellungen über das Sein, die Angst und die Authentizität des Daseins.
Der Existentialismus, wie er sich im 20. Jahrhundert insbesondere durch die Werke von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir entwickelt hat, stellt die Frage der Existenz vor der Essenz, die radikale Freiheit des Individuums angesichts einer Welt ohne vorgegebene Bedeutung, in den Mittelpunkt seiner Reflexion [3]. Diese Philosophie, die im Kontext der europäischen Nachkriegszeit entstanden ist, stellt die Angst direkt als Offenbarung unserer menschlichen Bedingung dar. Für Sartre entsteht die Angst aus dem Bewusstsein unserer absoluten Freiheit und der erdrückenden Verantwortung, die daraus folgt. Wir sind “verurteilt, frei zu sein”, in eine Welt geworfen, in der wir ständig wählen müssen, wer wir sein wollen, ohne göttliche oder natürliche Garantie, die unsere Schritte leitet.
Diese existentialistische Dimension findet ein eindrucksvolles Echo in der Arbeit von Morris, besonders in der Entstehung ihrer “Stacks”. Die Erfahrung des perinatalen Verlusts, die die Künstlerin 2014 durchlebt, konfrontiert sie brutal mit der grundsätzlichen Absurdität der Existenz, mit jener Zerbrechlichkeit, die unser Leben jederzeit zum Kippen bringen kann. Doch statt in Verzweiflung oder Resignation zu versinken, wählt Morris den schöpferischen Akt als Bestätigung ihrer Freiheit angesichts des Tragischen. Ihre Skulpturen werden so zu Metaphern für diese vom Existentialismus beschriebene menschliche Bedingung: fragile und unwahrscheinliche Konstruktionen, die dennoch stehen, der Schwerkraft und der Entropie allein durch die Kraft des schöpferischen Willens trotzen.
Die Authentizität, ein Kardinalwert des Existentialismus, manifestiert sich bei Morris in der Fähigkeit, die schmerzhafteste Erfahrung in ein Kunstwerk zu verwandeln, ohne je ins Pathos oder in die Selbstgefälligkeit zu verfallen. Wie Sartre in “Das Sein und das Nichts” erinnert, besteht Authentizität darin, die eigene Bedingung und Entscheidungen vollständig anzunehmen, die schlechte Glauben abzulehnen, die uns vor unserer Verantwortung fliehen ließe. Morris verkörpert diese Forderung nach Authentizität, indem sie sich weigert, die Narben ihrer Erfahrung hinter einer ästhetisierenden Rede zu verbergen. Ihre “Stacks” tragen diese rohe Wahrheit der Existenz in sich, jene bewusst angenommene Fragilität, die ihre politische und emotionale Kraft ausmacht.
Die körperliche Dimension des Existentialismus findet ebenfalls ihren Ausdruck in der Praxis von Morris. Für die existentialistischen Philosophen ist der Körper nicht nur ein bloßes Gefäß der Seele, sondern der eigentliche Ort unseres Seins-in-der-Welt, unsere sensible Schnittstelle zur Realität. Morris entwickelt diese Intuition in ihrer physischen Beziehung zu den Materialien, in den wiederholten Gesten des Bildhauerns, Schleifens, Malens, die ihre körperliche Präsenz im Werk verankern. Jede Kugel trägt die Spuren ihrer Hände, jede Farbe zeugt von ihrer besonderen Gestik. Der schöpferische Prozess wird so zu einer Form aktiver Meditation, einem Mittel, trotz des Schmerzes der Vergangenheit im Jetzt verankert zu bleiben.
Dieser existentialistische Ansatz findet sich auch in der Rezeption des Werks wieder. Morris weigert sich bewusst, eine eindeutige Interpretation ihrer Skulpturen aufzuzwingen. Sie lädt die Betrachter ein, ihre eigene Beziehung zum Werk aufzubauen, ihre eigenen Ängste und Hoffnungen in diese zerbrechlichen Gleichgewichte zu projizieren. Diese Offenheit für multiple Interpretationen entspricht perfekt dem existentialistischen Ideal der individuellen Freiheit und der Verantwortung des Subjekts gegenüber dem Sinn.
Die jüngste Entwicklung von Morris’ Praxis hin zu Wandteppichen und Papierarbeiten bereichert diese existentialistische Dimension noch weiter. Ihre obsessiven Zeichnungen, die sie oft nachts in einer Art kreativen Trance anfertigt, rufen diese “Figuren von Blumenfrauen” hervor, bei denen das Gesicht hinter der Blüte verschwindet. Diese Werke, die sie anschließend zu handgenähten Wandteppichen übersetzt, sprechen von Metamorphose, dem Kreislauf von Leben und Tod, von dieser ständigen Transformation, die die menschliche Existenz nach existentialistischer Auffassung kennzeichnet.
Die Installation von Morris im Oscar-Niemeyer-Pavillon des Château La Coste im Jahr 2022 veranschaulicht diese Synthese zwischen dem Erbe der Arte Povera und der existentialistischen Sensibilität perfekt. In diesem architektonischen Raum mit sinnlichen Kurven treten ihre bronzenen Farbfassungen in Dialog mit der Landschaft der Provence in einer Harmonie, die nichts Dekoratives hat. Im Gegenteil, sie bekräftigen die Fähigkeit der Kunst, unsere Beziehung zur Welt zu verändern und die verborgene Schönheit in unseren tiefsten Verletzlichkeiten zu offenbaren.
Heute, während Morris neue Ausstellungen vorbereitet, insbesondere in Südkorea, und weiterhin die Möglichkeiten des Glasfensters in ihren Projekten für Claridge’s erkundet, etabliert sich ihr Werk als eine der authentischsten Stimmen ihrer Generation. Sie erinnert uns daran, dass wahre Kunst immer aus der Begegnung zwischen einer besonderen Sensibilität und den universellen Fragen unserer Zeit entsteht. Ihre “Stacks” werden uns lange Zeit durch ihre Fähigkeit, Schmerz in Schönheit, Prekarität in Stärke, das Intime in Universales zu verwandeln, ansprechen.
In einer Welt, in der sich die zeitgenössische Kunst oft in der Vielzahl von Medien und Konzepten verliert, bietet uns Annie Morris diese Lektion der Demut und Tiefe: Manchmal genügen einige farbige Kugeln, die gestapelt sind, um das Wesentliche dessen zu sagen, was wir sind. Und vielleicht ist das letztlich das Genie dieser zurückhaltenden Künstlerin, die im Schatten ihres Londoner Ateliers arbeitet: uns daran zu erinnern, dass die höchste Raffinesse oft aus der größten Einfachheit entsteht und dass wahre Schönheit immer dort verborgen ist, wo man sie nicht erwartet.
- Giuseppe Penone, Den Schatten atmen, Ausstellungskatalog, Kunstmuseum Winterthur, 2008.
- Germano Celant, Arte Povera, Gabriele Mazzotta Editore, Mailand, 1969.
- Jean-Paul Sartre, Der Existentialismus ist ein Humanismus, Éditions Nagel, Paris, 1946.
















