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Lee Bae: Die dunkle Materie als universelle Sprache

Veröffentlicht am: 8 Februar 2025

Von: Hervé Lancelin

Kategorie: Kunstkritik

Lesezeit: 7 Minuten

Lee Bae verwandelt Kohle mit absoluter Meisterschaft in schwarzes Gold. In seinem Atelier nahe Cheongdo vollbringt dieser koreanische Künstler eine subtile Metamorphose: die des Zeit in Materie. Seine monumentalen Werke und meditativen Bilder schaffen Kontemplationsräume, die kulturelle Grenzen überschreiten.

Hört mir gut zu, ihr Snobs! Wenn dunkle Materie laut Astrophysikern 85 % des Universums ausmacht, dann ist Lee Bae (geboren 1956) unzweifelhaft der große irdische Priester derselben. Seit mehr als drei Jahrzehnten verwandelt dieser koreanische Künstler Holzkohle in ein Kosmos, mit der Geduld eines Alchimisten und der Präzision eines Zen-Uhrmachers. In seiner Werkstatt nahe Cheongdo, seiner Heimatstadt, oder in seinem Refugium im 19. Arrondissement von Paris vollzieht er eine Verwandlung, die weit über die bloße physische Transformation der Materie hinausgeht: Er fängt die Zeit selbst in der Dichte des Kohlenstoffs ein.

Seien Sie nicht täuscht. Es ist kein Zufall, dass dieser Künstler die Kohle als sein bevorzugtes Medium gewählt hat. Diese Begegnung, die 1990 in Paris stattfand, als er nach einem wirtschaftlichen Material suchte, um die zu teure Farbe zu ersetzen, wurde zu einer Offenbarung, die bis heute nachklingt. Kohle ist in der traditionellen koreanischen Kultur nicht nur ein einfacher Brennstoff. Sie ist der Wächter der Häuser, der unter die Fundamente gelegt wird, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Sie ist der Reiniger von Nahrungsmitteln, der dem Doenjang und Ganjang hinzugefügt wird, um deren Geschmack zu bewahren. Sie ist der Beschützer der Neugeborenen, die vor Türen aufgehängt wird, um böse Geister fernzuhalten. Lee hat es geschafft, dieses bescheidene und alltägliche Material in ein Vehikel künstlerischer Transzendenz zu verwandeln.

Seine Arbeitsmethode ist ebenso sehr ein Ritual wie eine künstlerische Technik. In seiner Werkstatt in Korea überwacht er persönlich die Herstellung seiner Holzkohle in einem traditionellen, igluähnlichen Ofen. Der Prozess ist äußerst sorgfältig und langsam: zwei Wochen Verbrennung, zwei Wochen Abkühlung. Diese ausgedehnte Zeitspanne ist nicht zufällig. Sie spiegelt die Überlegungen des Philosophen Henri Bergson zur “reinen Dauer” wider, jene Erfahrung der Zeit, die der mathematischen Messung entgeht und im Erleben verankert ist. Jeder von Lee produzierte Kohleblock ist somit nicht nur mit Kohlenstoff, sondern auch mit kondensierter Zeit durchdrungen.

Die monumentalen Installationen seiner Serie “Issu du feu” veranschaulichen diese Verschmelzung von Materie und Zeitlichkeit perfekt. Verkohlte Baumstämme, zusammengebunden mit schwarzen Gummibändern, erheben sich wie zeitgenössische Totems. Diese Assemblagen rufen unweigerlich die Betrachtungen von Gaston Bachelard zur “Psychoanalyse des Feuers” hervor. Für den französischen Philosophen ist das Feuer das Element, das die grundlegenden Widersprüche der Existenz kristallisiert: Zerstörung und Reinigung, Tod und Wiedergeburt. Lee treibt dieses Paradox noch weiter. Seine verkohlten Baumstämme sind zugleich tot und lebendig, leblos und voller potentieller Energie. Sie verkörpern das, was der Philosoph Maurice Merleau-Ponty als “Chiasmus” bezeichnete, diesen Kreuzungspunkt, an dem Gegensätze sich treffen, ohne sich aufzulösen.

Diese philosophische Dimension seiner Arbeit zeigt sich auch in seinen Malereien. Nehmen wir seine Serie “Brushstroke”, in der Striche von Kohle von abgründiger Tiefe auf opalweißen Hintergründen tanzen. Diese Bilder sind keine einfachen Stilübungen oder Variationen des Monochroms. Sie sind das Ergebnis einer fast klösterlichen täglichen Praxis. Lee steht um 4 Uhr morgens auf, beginnt genau um 6 Uhr mit der Arbeit und folgt einem unveränderlichen Rhythmus, der an zen-buddhistische Kontemplationspraktiken erinnert. Jeden Tag fertigt er Dutzende von Skizzen an, bevor er sich an die Ausführung eines endgültigen Werks macht. Diese Wiederholung ist nicht mechanisch, sondern meditativ, nahe dem, was der Philosoph Gilles Deleuze als “Differenz in der Wiederholung” beschrieb: Jede scheinbar identische Geste enthält tatsächlich eine winzige Variation, die sie einzigartig macht.

Seine Technik der Überlagerung von Acrylschichten und Holzkohlepulver ist besonders interessant. Lee trägt zunächst eine Mischung aus gemahlenem Kohlepulver und Acrylmedium auf, dann überdeckt er diese erste Schicht mit einem transparenten Medium. Diesen Prozess wiederholt er mehrfach, wodurch eine Tiefe entsteht, die scheinbar die Gesetze der Optik herausfordert. Das Schwarz ist in seinen Werken niemals wirklich schwarz, sondern eher eine Konstellation von Nuancen, die das Licht gleichzeitig absorbieren und reflektieren. Dieser Ansatz steht im Einklang mit Edmund Husserls phänomenologischen Theorien zur Wahrnehmung von Zeit und Raum. Jede Farbschicht wird somit eine sichtbare zeitliche Schicht, eine Sedimentation von Erfahrung, die sich vor unseren Augen materialisiert.

Auch der Einfluss der traditionellen koreanischen Kalligraphie ist in seiner Arbeit spürbar, obwohl er diese weit übersteigt. In der Tradition des Sumi-e wird schwarze Tinte nicht verwendet, um die Realität abzubilden, sondern um deren Essenz einzufangen. Lee wendet dieses Prinzip auf die Holzkohle an, allerdings in eine entschieden zeitgenössische Richtung. Seine Gesten zielen nicht darauf ab, erkennbare Formen zu reproduzieren, sondern die Konturen eines geistigen Raums, eines inneren Territoriums zu zeichnen, in dem sich Zeit in Materie verfestigt.

Diese Erkundung von Raum und Zeit durch Kohle erhält in seinen jüngeren Installationen eine besonders eindrucksvolle Dimension. In diesen Werken sind die Kohleblöcke so angeordnet, dass sie immersive Umgebungen schaffen, die die Galerien in Orte der Kontemplation verwandeln. Der Betrachter befindet sich buchstäblich umgeben von kristallisiertem Zeit, eingetaucht in ein Universum, in dem die schwarze Materie zur Metapher für das Unsichtbare wird, das unsere Realität strukturiert.

Die Beziehung von Lee Bae zur Zeit beschränkt sich nicht auf seine künstlerische Praxis. Sie erstreckt sich auf seine Art, den geografischen und kulturellen Raum zu bewohnen. Zwischen Paris, Seoul und Cheongdo pendelnd, verkörpert er eine Form zeitgenössischen Nomadentums, das die traditionellen Gegensätze zwischen Orient und Okzident überwindet. Seine künstlerische Praxis wird so zu einer Brücke zwischen verschiedenen philosophischen und ästhetischen Traditionen. Die Kohle, ein universelles Material par excellence, wird unter seinen Händen zum Vehikel eines interkulturellen Dialogs.

Diese interkulturelle Dimension zeigt sich besonders in seiner Art, den Begriff der Leere zu behandeln, der in der östlichen Philosophie so bedeutsam ist. Im taoistischen Denken ist die Leere keine Abwesenheit, sondern eine aktive Präsenz, ein Raum der Potenzialität. Lee übersetzt dieses Konzept in seiner Arbeit durch das subtile Spiel zwischen den schwarzen Flächen und den unbehandelten Räumen seiner Werke. Weiß ist nie wirklich weiß, so wenig wie Schwarz wirklich schwarz ist. Diese beiden Pole stehen in ständiger Wechselwirkung und schaffen ein Spannungsfeld, das den Bildraum aktiviert.

Die jüngste Entwicklung seiner Arbeit verdient besondere Aufmerksamkeit. Nach Jahrzehnten exklusiver Erforschung des Schwarz beginnt Lee, Farbe subtil in seine Werke einzuführen. Es ist kein radikaler Wechsel, sondern eher eine organische Evolution, als ob die Tiefen des Schwarz, die er so lange sondiert hat, anfangen, ihr verborgenes chromatisches Spektrum zu offenbaren. Diese Öffnung zur Farbe erinnert an die Beobachtungen des Philosophen Georges Didi-Huberman über das Überleben von Bildern: Nichts verschwindet wirklich, alles verwandelt sich und tritt in neuen Formen wieder hervor.

Lees Praxis lädt uns ein, unser Verhältnis zu Zeit und Materie grundlegend zu überdenken. In einer von Instantaneität und Virtualität beherrschten Welt bietet seine Arbeit eine Erfahrung der Dauer, die im Greifbaren verankert ist. Die Kohle, ein primitives Material par excellence, wird unter seinen Händen zu einem Medium von außerordentlicher konzeptueller Raffinesse. Vielleicht liegt hier die größte Stärke seiner Arbeit: in der Fähigkeit, ein so bescheidenes Material in ein Vehikel metaphysischer Reflexion zu verwandeln.

Diese Transformation beschränkt sich nicht nur auf das Visuelle. Lee bindet alle unsere Sinne in die Erfahrung seiner Werke ein. Der subtile Geruch der Kohle, die Textur der bearbeiteten Flächen, das Spiel von Schatten und Reflexionen, all das trägt dazu bei, eine immersive Erfahrung zu schaffen, die den traditionellen Rahmen der künstlerischen Kontemplation weit übersteigt. Seine Installationen werden zu Räumen aktiver Meditation, in denen die Zeit stillzustehen scheint.

Die ökologische Dimension seiner Arbeit kann nicht ignoriert werden, auch wenn sie niemals didaktisch ist. In einer Zeit, in der die Umweltfrage allgegenwärtig wird, erinnert uns seine Praxis an unsere fundamentale Beziehung zu den natürlichen Materialien. Die Kohle ist in seiner Arbeit kein einfach zu nutzendes Material, sondern ein Partner im Dialog. Dieser Ansatz spiegelt zeitgenössische Überlegungen zum Anthropozän und unserer Verantwortung für die Materie wider.

Lees Atelier in Cheongdo wird damit mehr als nur ein einfacher Ort der künstlerischen Produktion. Es ist ein Labor, in dem eine zeitgenössische Alchemie stattfindet, wo Materie und Zeit verschmelzen, um Werke zu schaffen, die unsere üblichen Kategorien herausfordern. Der traditionelle Ofen, in dem er seine Kohle herstellt, ist nicht nur ein technisches Werkzeug, sondern ein Schmelztiegel, in dem ein neues Verständnis von Kunst geschmiedet wird.

Während die Kunstwelt oft von spektakulären Effekten und Innovation um jeden Preis dominiert wird, erinnert uns Lee daran, dass wahre Originalität in der geduldigen Vertiefung einer Beziehung zu einem Material liegen kann. Seine Arbeit ist eine Lektion in Ausdauer und Demut, eine Demonstration, dass Wiederholung nicht notwendigerweise eintönig sein muss, sondern der Weg zu einer ständigen Neuerfindung sein kann.

Letztlich konfrontiert uns das Werk von Lee Bae mit einer grundlegenden Frage: Wie bewohnt man die Zeit im Zeitalter der allgemeinen Beschleunigung? Seine Antwort, verkörpert in der Kohle, ist eine Einladung zu Langsamkeit und Kontemplation. In seinen Händen wird das bescheidenste Material zu einem Spiegel, in dem sich unsere tiefsten Fragestellungen über die Natur von Zeit, Raum und unserem Platz im Universum reflektieren. Es ist eine Kunst, die nicht zu blenden sucht, sondern zu erleuchten, nicht zu unterhalten, sondern unsere Wahrnehmung der Welt zu verwandeln. In diesem Sinne behauptet sich Lee Bae als einer der wesentlichsten Künstler unserer Zeit, ein Meister, der die Kohle nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel nutzte, um die tiefsten Geheimnisse der Existenz zu erforschen.

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Referenz(en)

LEE Bae (1956)
Vorname: Bae
Nachname: LEE
Weitere Name(n):

  • 이배 (Koreanisch)

Geschlecht: Männlich
Staatsangehörigkeit(en):

  • Korea, Süd (Südkorea)

Alter: 69 Jahre alt (2025)

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