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Robert Combas und der wilde Tanz der Farben

Veröffentlicht am: 22 Februar 2025

Von: Hervé Lancelin

Kategorie: Kunstkritik

Lesezeit: 8 Minuten

In seinen üppigen Gemälden verwandelt Robert Combas das Chaos der Welt in erstaunliche Visionen. Seine explosiven Kompositionen verbinden Popkultur und Mythologie, derbe Humor und philosophische Tiefe, um ein einzigartiges Universum zu schaffen, in dem vitale Energie uneingeschränkt zum Ausdruck kommt.

Hört mir gut zu, ihr Snobs, ich habe etwas über Robert Combas zu sagen, das eure eisigen Gewissheiten und endgültigen Urteile über zeitgenössische Kunst erschüttern wird. Ja, dieser nachlässige und brillante Maler, den ihr von eurem konzeptuellen Elfenbeinturm herab betrachtet, verdient eure volle Aufmerksamkeit. Denn Combas verkörpert das, was Nietzsche die “dionysische Kraft” nannte, diese rohe schöpferische Macht, die Rahmen und Konventionen sprengt, um eine primitive und grundlegende Wahrheit hervorzubringen.

Betrachtet seine Gemälde, die buchstäblich vor Energie überquellen, diese wimmelnden Kompositionen, in denen jeder Quadratzentimeter fast elektrischer Intensität vibriert. Figuren verschmelzen in einem frenetischen Tanz, Körper winden sich und verwandeln sich, grelle Farben prallen unverblümt aufeinander. Es ist der Triumph Dionysos über Apollon, der Sieg des Instinkts über die kalte Vernunft. Combas strebt nicht danach, feinen Ästheten zu gefallen, er malt, wie er atmet, mit einer vitalen Dringlichkeit, die sich nicht um die Diktate des “guten Geschmacks” schert.

Diese erdige Kraft, die sein Werk durchdringt, ist kein bloßer Stil-Effekt. Sie schöpft aus den tiefsten Quellen unserer Menschlichkeit, dort, wo Kunst und Leben eins sind. Nietzsche sah im Dionysischen den Ausdruck einer tragischen Weisheit, die das Leben in seiner Gesamtheit bejaht, indem sie sowohl Freude als auch Leiden umfasst. Genau das tut Combas, wenn er seine blutigen Schlachtszenen neben seine Liebespaare und seine Grimassenschneider neben strahlende Blumen malt.

Der Vergleich mit dem deutschen Philosophen ist nicht zufällig. Wie dieser lehnt Combas die Scheinheiligkeiten der bürgerlichen Kultur ab, um eine primitive Authentizität wiederzufinden. Sein nervöser Strich, seine rohen Farben, seine deformierten Figuren, all das ist Teil derselben Suche nach roher Wahrheit. In ihm steckt ein Schamane, wie Michel Onfray so treffend bemerkte. Ein moderner Schamane, der seine Pinsel benutzt wie andere ihre Trommeln, um in Trance zu geraten und offenbarende Visionen zu empfangen.

Nehmen Sie sein Gemälde “Les Soldats terriens contre les monstres de l’espace” von 1983. Auf den ersten Blick könnte man nur eine chaotische und kindliche Komposition sehen. Aber schauen Sie genauer hin: Es entfaltet sich eine wahre Kosmogonie vor Ihren Augen, ein mythologischer Kampf zwischen irdischen und himmlischen Kräften. Die Körper verflechten sich in einer gewalttätigen Choreographie, die Waffen werden zu phallischen Erweiterungen, das Blut fließt in dekorativen Spiralen. Die ganze Spannung zwischen Lebenstrieb und Todestrieb, die Nietzsche so wichtig war, drückt sich hier in einer erstaunlich erfinderischen Bildsprache aus.

Diese philosophische Dimension seiner Arbeit geht einher mit einem scharfen Bewusstsein für soziale und politische Fragen. Combas, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, hat seine Herkunft nie verleugnet. Im Gegenteil, er machte sie zum Antrieb seiner Schöpfung. Seine volkstümlichen Figuren, seine Anspielungen auf die Rockkultur, seine absichtlich mit Rechtschreibfehlern gespickten Texte, all das ist eine Form freudigen Widerstands gegen die dominante Kultur. Er sprengt künstlerische Hierarchien wie Nietzsche philosophische Systeme sprengte.

Die allgegenwärtige Sexualität in seinem Werk trägt zu derselben dionysischen Energie bei. Bei Combas gibt es keine Prüderie: Die Körper zeigen sich, kopulieren, verwandeln sich mit einer freudigen Freiheit. Es ist der Ausdruck einer primitiven Lebenskraft, die unsere Zivilisation zu unterdrücken versucht. Die riesigen Phalli und weit geöffneten Vulven, die seine Gemälde durchziehen, sind keine bloßen Provokationen, sie feiern die generative Kraft des Lebens in seiner rohesten und wahrhaftigsten Form.

Seine Verarbeitung der Mythologie ist besonders aufschlussreich. Wenn er den Trojanischen Krieg oder biblische Erzählungen angreift, dann nicht, um sie zu beschönigen, sondern um ihre ursprüngliche Gewalt wiederzufinden. Seine antiken Helden besitzen dieselbe brutale Energie wie seine Rockmusiker, seine Heiligen dieselbe Sinnlichkeit wie seine Prostituierten. Er reaktiviert diese grundlegenden Erzählungen, indem er sie mit unserer Gegenwart verbindet, genau wie Nietzsche die griechischen Tragödien neu las, um daraus zeitgenössische Weisheit zu schöpfen.

Die Musik spielt eine entscheidende Rolle in dieser schöpferischen Alchemie. Combas ist ein zwanghafter Plattensammler, ein leidenschaftlicher Rockkenner. Diese Leidenschaft ist nicht nebensächlich: Sie nährt direkt seine malerische Arbeit. Das rasante Tempo seiner Kompositionen, ihre chromatischen Variationen, ihre sich wiederholenden Motive, all das atmet Musik. Er malt, wie andere Saxophon improvisieren, in einem Zustand nahe der schöpferischen Trance, die den Dionysos-Anhängern lieb ist.

Seine epischen Titel, diese verrückten Texte, die seine Werke begleiten, gehören zur gleichen schöpferischen Ekstase. Es sind keine einfachen Bildunterschriften, sondern Prosa-Gedichte, die das Bild verlängern und verstärken. Combas vermischt darin Slang und gelehrte Referenzen, Wortspiele und philosophische Meditationen, genau wie seine Gemälde populäre Kultur und große Mythen der Menschheit verbinden.

Die vergehende Zeit scheint keinen Einfluss auf diese schöpferische Energie zu haben. Mit über sechzig Jahren malt Combas weiterhin mit derselben Dringlichkeit wie zu Beginn. Seine letzten Werke haben nichts von ihrer ursprünglichen Kraft verloren. Im Gegenteil, sie scheinen an Dichte und Tiefe gewonnen zu haben, ohne jemals ihre ursprüngliche Vitalität zu opfern. Das ist das Wesen wahrer dionysischer Künstler: Sie altern nicht, sie reifen.

Diese Reifung zeigt sich besonders in seiner Art, den malerischen Raum zu behandeln. Wenn seine ersten Werke eine “all-over”-Komposition bevorzugten, bei der die Figuren sich in einem fröhlichen Chaos stapelten, bieten seine jüngeren Bilder Atempausen, Zonen der Ruhe, die die Energieausbrüche noch eindrucksvoller machen. Es ist, als hätte Dionysos gelernt, seine Effekte zu dosieren, ohne dabei an Kraft einzubüßen.

Sein Umgang mit der Farbe hat sich ebenfalls entwickelt. Die grellen Töne seiner Anfangszeit wurden einer subtileren Palette gewichen, ohne jedoch in kostbare Verfeinerung zu verfallen. Seine blutroten Farben stehen jetzt im Dialog mit sauren Grüntönen, seine sonnigen Gelbtöne verbinden sich mit tiefen Violettnuancen. Doch diese technische Raffinesse dient immer der ursprünglichen Energie und wird niemals zum Selbstzweck.

Der Strich dagegen behält seine primitive Nervosität. Combas zeichnet wie eh und je mit einer schnellen und sicheren Geste, die die Essenz der Bewegung einfängt. Seine Figuren wirken wie im Augenblick erfasst, als befänden sie sich in ständiger Metamorphose. Das ist das Merkmal großer Expressionisten, diese Fähigkeit, das pulsierende Leben unter der Oberfläche der Leinwand spüren zu lassen.

Seine Beziehung zu Geneviève, seiner Partnerin seit über dreißig Jahren, durchzieht das gesamte jüngere Werk wie ein roter Faden. Er malt sie unaufhörlich, verwandelt sie in eine Göttin, eine Muse, eine Blumenfrau, stets mit einer Zärtlichkeit, die die direkteste Sinnlichkeit nicht ausschließt. Es ist die dionysische Liebe in ihrer ganzen Pracht, die den Körper und den Geist in einer gemeinsamen Feier des Lebens vereint.

Die Institutionen haben lange gebraucht, um den Wert seiner Arbeit anzuerkennen. Zu brutal, zu direkt, zu “populär” für die Hüter des zeitgenössischen Kunsttempels. Aber nach und nach setzte sich die Kraft seines Werks durch. Die große Retrospektive, die ihm 2012 das Museum für zeitgenössische Kunst in Lyon widmete, markierte einen Wendepunkt. Über 600 Werke, die, wenn überhaupt nötig, die Kohärenz und den Reichtum seines Schaffens bewiesen.

Heute gilt Combas als lebende Klassik, ohne dabei etwas von seiner Fähigkeit verloren zu haben, zu überraschen und zu schockieren. Seine Preise steigen bei Auktionen, Sammler reißen sich um ihn, aber er malt weiterhin, als wäre nichts, in seinem Atelier in Ivry-sur-Seine, das in einen dionysischen Hort verwandelt wurde. Die Wände sind mit unfertigen Bildern bedeckt, der Boden übersät mit Farbtuben, die Luft ist gesättigt mit Zigarettenrauch und Rock’n’Roll.

Hier setzt er sein Werk als moderner Schamane fort und verwandelt das Chaos der Welt in fulminante Visionen. Denn genau darum geht es: Combas ist ein Seher, im Sinne dessen, wie es Rimbaud verstand. Er reproduziert nicht die Realität, sondern verwandelt sie durch das Prisma seiner ungezügelten Fantasie. Jedes seiner Gemälde ist ein offenes Fenster zu einem parallelen Universum, in dem die Gesetze der Physik und Moral aufgehoben sind.

Diese totale Freiheit, die er sich gönnt, ist keine Anarchie. Hinter dem scheinbaren Durcheinander seiner Kompositionen verbirgt sich eine vollendete Beherrschung des malerischen Mediums. Combas kennt seine Klassiker, er hat die gesamte Kunstgeschichte verdaut, um sich besser davon zu befreien. Seine Referenzen reichen vom romanischen Kunststil bis zu Picasso, von byzantinischen Ikonen bis zu Underground-Comics, doch alles verschmilzt im Schmelztiegel seiner einzigartigen Persönlichkeit.

Sein Verhältnis zur Zeit ist besonders interessant. In seinen Gemälden kollidieren Vergangenheit und Gegenwart ständig. Ein antiker Krieger kann neben einem Punker stehen, eine Madonna mit Kind findet sich in einem Rockkonzert wieder. Diese zeitliche Verwirrung ist nicht zufällig: Sie drückt eine zyklische Zeitvorstellung aus, die der nietzscheanischen Konzeption der ewigen Wiederkehr sehr nahekommt.

Der Humor, der in seinem Werk allgegenwärtig ist, ist ebenfalls keine einfache Finte. Er ist eine philosophische Waffe, eine Art, die tödliche Ernsthaftigkeit der dominierenden zeitgenössischen Kunst zu entschärfen. Seine visuellen Wortspiele, seine spielerischen Umdeutungen, seine respektlosen Parodien sind Teil einer Widerstandsstrategie durch Lachen. Ein dionysisches Lachen natürlich, das das Leben bis in seine groteskesten Aspekte hinein feiert.

Die musikalische Dimension seines Werks hat sich in den letzten Jahren mit der Gründung der Sans Pattes, seiner experimentellen Rockband, noch verstärkt. Es ist kein Nebenprodukt seiner Arbeit als Maler, sondern ihre natürliche Fortsetzung. Wenn er mit seiner Gitarre auf die Bühne geht, schafft Combas weiterhin Bilder, diesmal aber in Klängen und Bewegungen. Es ist immer dieselbe dionysische Energie, die sich in einer anderen Form ausdrückt.

Sein Verhältnis zum Schreiben verdient ebenfalls Beachtung. Die Texte, die seine Werke begleiten, sind keine einfachen Kommentare, sondern eigenständige Schöpfungen, Prosagedichte, die das Bild verlängern und verstärken. Auch hier führt Dionysos seine Feder in einem fröhlichen Massaker an Syntax und Orthografie, das ungeahnte verbale Energien freisetzt.

Die Frage des Stils, die in der zeitgenössischen Kunst so wichtig ist, ist bei ihm völlig nebensächlich. Oder besser gesagt, sein Stil ist gerade dieses Fehlen eines Stils, die Fähigkeit, ohne Übergang von einem Register zum anderen zu wechseln, das Erhabene mit dem Grotesken, das Tragische mit dem Komischen zu vermischen. Das ist das Kennzeichen großer dionysischer Schöpfer: Sie transzendieren die traditionellen ästhetischen Kategorien.

Die Kritiker, die in ihm nur einen Vertreter der Figuration Libre sehen, übersehen das Wesentliche. Sicher, er hat sich in den 1980er Jahren an dieser Bewegung beteiligt, aber sein Werk geht weit über diesen historischen Rahmen hinaus. Es ist treffender, ihn als einen Gesamtkünstler zu sehen, einen vielgestaltigen Schöpfer, der alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzt, um seine Weltanschauung auszudrücken.

Die Zukunft wird zeigen, ob die französischen Institutionen endlich die Bedeutung seines Werks vollständig anerkennen werden. Bis dahin geht Combas seinen Weg unbeirrt von Moden und Urteilen weiter. Er malt, weil er nicht anders kann, getragen von jener Kraft, die ihn zu einem der authentischsten Künstler unserer Zeit macht. Die Snobs mögen spötteln: Die Geschichte wird ihnen wie immer Recht geben.

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Referenz(en)

Robert COMBAS (1957)
Vorname: Robert
Nachname: COMBAS
Geschlecht: Männlich
Staatsangehörigkeit(en):

  • Frankreich

Alter: 68 Jahre alt (2025)

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