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Ross Bleckner: Anatomie des Vergehens

Veröffentlicht am: 7 August 2025

Von: Hervé Lancelin

Kategorie: Kunstkritik

Lesezeit: 13 Minuten

Ross Bleckner entwickelt seit vier Jahrzehnten eine Malerei der Vergänglichkeit, in der gespenstische Blumen, farbige Zellen und geheimnisvolle Sternbilder die Zerbrechlichkeit der Existenz hervorrufen. Seine Werke, entstanden aus der Dringlichkeit der AIDS-Epidemie, entwickeln eine visuelle Sprache des Vergehens, die über das einfache Zeugnis hinausgeht und das Universelle erreicht.

Hört mir gut zu, ihr Snobs. Seit fast vier Jahrzehnten malt Ross Bleckner die Vergänglichkeit mit einer Hartnäckigkeit, die an Ritual grenzt. Dieser 1949 geborene New Yorker hat nie aufgehört, die liminalen Zonen zu erforschen, in denen das Leben in das Nichts übergeht, wo das Licht flackert, bevor es erlischt, wo jede Leinwand zu einem zeitgenössischen Memento Mori wird. Seine Werke, sei es durch schwebende Lichtpunkte auf pechschwarzem Grund oder durch das Erblühen gespenstischer Blumensträuße im Halbdunkel, stellen uns vor jene Wahrheit, die wir zu ignorieren bevorzugen: Unsere Existenz hängt an einem seidenen Faden, einer fragilen Zellmembran, die uns von der Katastrophe trennt.

Die Kunst der Schwelle: Agamben und die liminale Bedingung

Ross Bleckners Werk findet eine besondere Resonanz in den Gedanken von Giorgio Agamben, einem italienischen Philosophen, der seine Forschung den Zonen der Unbestimmtheit gewidmet hat, jenen Schwellen, an denen Kategorien verschwimmen und ein Raum reiner Potenzialität entsteht [1]. Für Agamben ist die Schwelle weder innen noch außen zur etablierten Ordnung, sondern genau jene Zone der Gleichgültigkeit, in der Innen und Außen ineinander verschwimmen. Dieses Verständnis wirft ein neues Licht auf Bleckners malerisches Unternehmen, das stets in diesen unsicheren Gebieten operiert, in denen die Figuration sich in der Abstraktion auflöst, in denen die Feier des Lebens die Andeutung des Todes berührt und in denen Schönheit aus der Kontemplation der Zerbrechlichkeit erwächst.

Bereits in seinen frühen Arbeiten der 1980er Jahre zeigt Bleckner diese Sorge um liminale Zustände. Seine Werke mit Streifen im Bereich der Optischen Kunst, diese vertikalen Bänder, die zu vibrieren und zu pulsieren scheinen, erzeugen eine Wahrnehmungsstörung, die uns genau in dieser Unbestimmtheitszone positioniert, von der Agamben spricht. Das Auge kann diese bewegten Oberflächen, die zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, zwischen Materialität und optischer Illusion schwanken, nicht fixieren. Diese Werke sind weder rein abstrakt noch vollständig figürlich, sondern besetzen ein Zwischenreich, eine Schwelle, an der etwas Wesentliches in unserem Verhältnis zum Sichtbaren entschieden wird.

Das Auftauchen von AIDS in den 1980er Jahren verlieh dieser Ästhetik der Schwelle neue Dringlichkeit. Bleckner erkannte instinktiv, dass diese Epidemie seine Generation zu einem Volk der Schwelle machte, eine Gemeinschaft von Wesen, die zwischen Leben und Tod hängen und gezwungen sind, diese Ausnahmezone zu bewohnen, in der Gewissheiten zerfallen. Seine “Cell Paintings” aus dieser Zeit materialisieren diesen Zustand: Diese Zellen, die im Bildraum schweben, verweisen gleichzeitig auf die mikroskopische Struktur des Lebendigen und seine Verwundbarkeit gegenüber dem Virus. Sie verkörpern dieses “nackte Leben”, von dem Agamben spricht, jene Existenz, die auf ihre rein biologische Dimension reduziert ist, entkleidet jeglichen symbolischen Schutzes.

Der Künstler entwickelt dann ein visuelles Vokabular von erschütternder Kraft: Kerzen, die verlöschen, Vögel, die im Unscharfen verschwinden, Blumen, die sich im Licht zersetzen. Jedes Motiv fungiert als Zeichen dieser Schwellenbedingung, in der Schönheit und Tod verschwimmen. In “Architecture of the Sky” (1989) rufen die in der Dunkelheit schwebenden Kuppeln und Gewölbe jene heiligen Räume hervor, in denen sich laut Agamben die Beziehung zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, zwischen Immanenz und Transzendenz artikuliert.

Die Technik selbst von Bleckner trägt zu dieser Ästhetik der Schwelle bei. Seine übereinandergelegten Lasuren, Transparenzeffekte und Spielereien mit der Tiefenwirkung erschaffen Oberflächen, die sich niemals vollständig dem Blick offenbaren. Das Bild formt und verformt sich je nach Blickwinkel, Abstand und Lichtqualität. Diese Wahrnehmungsinstabilität hält uns in einem Zustand kontemplativer Wachsamkeit, in jener schwebenden Aufmerksamkeit, die das Erleben der Schwelle kennzeichnet.

Kürzlich radikalisiert Bleckner mit seinen “Burn Paintings” diesen Ansatz, indem er ein Brennerlicht verwendet, um seine Leinwände buchstäblich zu verbrennen. Diese zerstörerisch/kreative Geste illustriert perfekt die Logik der Schwelle, bei der der Tod zur Bedingung der Wiedergeburt wird. Der Künstler zerstört nicht, um zu vernichten, sondern um verborgene Potenziale in der malerischen Materie zu offenbaren. Das Feuer, ein Zerstörungsagent par excellence, wird hier zum Instrument der Offenbarung, zum Mittel, um Ausdrucksformen zu erreichen, die sonst nicht hätten entstehen können.

Dieser Ansatz resoniert mit Agambens Vorstellung von messianischer Zeit, jener schwebenden Zeit, in der sich die Möglichkeit einer radikalen Transformation öffnet. Bleckners verbrannte Leinwände bewahren die Spur dieser schöpferischen Gewalt, jenes Moments, in dem etwas Neues aus der Zerstörung des Alten hervorgeht. Sie materialisieren jene “Zone des Nicht-Wissens”, die Agamben beschreibt, jenen Raum, in dem Wesen „gerade in ihrem unrettbaren Sein gerettet sind”.

Das Licht von Ariel: Plath und die Poetik des Glühens

Wenn uns Agambens Philosophie hilft, die konzeptionelle Dimension von Bleckners Werk zu verstehen, finden wir das literarische Äquivalent seiner künstlerischen Suche in der Poesie von Sylvia Plath, insbesondere in ihrem Gedichtband “Ariel” [2]. Wie Bleckner entwickelt Plath eine Ästhetik der Intensität, in der Schönheit aus der direkten Konfrontation mit der Endlichkeit entsteht. Ihre letzten Gedichte, geschrieben in den Monaten vor ihrem Tod 1963, entfalten eine Glut, die vergleichbar ist mit der, die von den Bildern des amerikanischen Künstlers ausgeht.

Das Gedicht “Ariel” selbst bietet einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis von Bleckners Universum. Plath beschreibt darin einen Ritt, der zur Metapher eines Laufes ins Licht wird, in dem das Wesen sich in der Prüfung seines Auflösens regeneriert. Diese Dynamik von Zerstörung und Regeneration durchdringt das gesamte Werk von Bleckner, von seinen ersten optischen Kunstwerken (Op Art) bis zu seinen jüngsten Gemälden von gespenstischen Blumen.

Plaths Gebrauch des Lichts in “Ariel” beleuchtet besonders Bleckners Ansatz. Bei der Dichterin ist Licht niemals bloße Erleuchtung, sondern eine dramatische Kraft, die ebenso enthüllt, wie sie verbrennt. Die “lioness” Gottes, die das Gedicht durchquert, verkörpert diese ambivalente Energie, die zugleich zerstörerisch und schöpferisch ist. Ebenso zielen Bleckners Lichteffekte niemals auf rein dekorative Wirkung ab, sondern versuchen, diese besondere Qualität des Lichts einzufangen, die sich in Wendepunkten manifestiert, in jenen Gnadenmomenten, in denen das Gewöhnliche seine tragische Dimension offenbart.

Der Einfluss von Plath auf Bleckner zeigt sich besonders in seiner Serie von Blumenbildern. Wie die Dichterin in ihren “Bienen-Gedichten”, die den Sammelband “Ariel” abschließen, verwandelt der Künstler das Blumenthema in eine Allegorie der sterblichen Existenz. Seine verschwommenen Blumensträuße, ihre in Licht zerspringenden Kelche, die Blütenblätter, die in einem unbestimmten Raum zu schweben scheinen, greifen die Lehre von Plath auf: die natürliche Schönheit zum Spiegel unserer eigenen Zerbrechlichkeit zu machen.

Diese Verwandtschaft vertieft sich, wenn man Bleckners Technik betrachtet. Seine Unschärfeffekte, seine Transparenzen, seine Spiele mit der Auflösung der Form rufen direkt Plaths Schreiben in ihren letzten Gedichten hervor. Sowohl bei ihr als auch bei ihm dient technische Präzision einer Ästhetik des Vergehens. Plath ziseliert ihre Verse mit verblüffender Meisterschaft, um das Unsagbare der Grenzerfahrung auszudrücken; Bleckner schärft seine malerische Technik, um jene Momente einzufangen, in denen die Wirklichkeit auf ihren Grundlagen schwankt.

Der Begriff der “Auferstehung”, der sich durch Plaths Werk zieht, findet sein plastisches Äquivalent in Bleckners Vorgehensweise. Wenn die Dichterin in “Lady Lazarus” von der Kunst des Sterbens und Wiedergebärens spricht, beschreibt sie eine Logik, die sich in jedem Bild des Künstlers wiederfindet. Seine Motive, Vögel, Blumen und Kerzen, sterben im Bild, um transfiguriert wieder aufzuerstehen. Sie gelangen zu einer Form von Schönheit, die nur durch die Erfahrung ihrer Auflösung existiert.

Die Aufmerksamkeit, die Plath und Bleckner der Lichtqualität schenken, offenbart eine gemeinsame Sensibilität für Grenzphänomene. In “Morning Song”, dem Eröffnungsgedicht von “Ariel” gemäß der ursprünglichen Absicht der Dichterin, beschreibt Plath dieses besondere Licht der Morgendämmerung, das ebenso enthüllt wie verwandelt. Diese Lichtqualität durchzieht auch Bleckners Bilder: Licht des Zwischenzustands, weder ganz Tag noch ganz Nacht, das die Formen in ihrer konstitutiven Fragilität erkennbar macht.

Die zeitliche Dimension dieser Ästhetik ist besonders interessant. Wie Plaths letzte Gedichte scheinen Bleckners Gemälde eingefrorene Augenblicke zu erfassen, Momente, in denen sich die gewöhnliche Zeit dehnt, um einer anderen Zeitlichkeit Platz zu machen. Seine “Constellation”-Gemälde der 1990er Jahre materialisieren diese Aussetzung: die leuchtenden Punkte, die seine dunklen Hintergründe besetzen, erinnern an diese toten Sterne, deren Licht uns weiterhin erreicht und eine bizarre Gegenwart zwischen dem Jetzt und dem Vergangenen schafft.

Diese Zeitpoetik findet ihren vollendetsten Ausdruck in Bleckners jüngsten Werken. Seine aktuellen Gemälde, in denen Gehirnscans zu floralen oder kosmischen Landschaften verwandelt sind, veranschaulichen die Fähigkeit, wissenschaftliche und poetische Zeitlichkeiten, dokumentarische Genauigkeit und lyrische Vision koexistieren zu lassen. Wie Plath in ihren letzten Texten gelingt es Bleckner, aus medizinischen Diagnosen ästhetische Transfiguration zu schaffen.

Die Ökonomie des Verschwindens

Die Entwicklung Bleckners seit den 1980er Jahren offenbart eine kohärente Logik: die einer Ökonomie des Verschwindens, bei der jeder Gewinn an Sichtbarkeit mit einem äquivalenten Verlust einhergeht. Seine ersten optischen Kunstwerke erzeugten Erscheinungs- und Verschwindungseffekte allein durch das Spiel chromatischer Kontraste. Die Motive schienen je nach Akkommodation des Blicks aufzutauchen und sich wieder aufzulösen, wodurch ein Wahrnehmungsregime permanenter Instabilität entstand.

Diese Dialektik von Präsenz und Absenz wird sich mit der Einführung figürlicher Elemente verkomplizieren. Seine Vögel aus den 1990er Jahren verkörpern diese Ökonomie perfekt: Sie erscheinen im Bild als Spuren eines Vorbeigehens, Gespenster einer bereits geflüchteten Präsenz. Ihre unscharfe Darstellung, ihre Eingliederung in unbestimmte Hintergründe machen sie zu Grenzfiguren, weder ganz gegenwärtig noch vollständig abwesend.

Kerzen sind ein weiteres bevorzugtes Motiv dieser Ästhetik des Verschwindens. Als traditionelles Symbol der Vergänglichkeit des Daseins ermöglichen sie es Bleckner, die zeitliche Dimension in seine Kompositionen einzuführen. Eine brennende Kerze bedeutet, dass Zeit vergeht, dass Materie sich in Licht und Rauch verwandelt. Indem er sie malt, fixiert der Künstler paradoxerweise das, was von Natur aus nicht festgehalten werden kann: den Moment der Verbrennung, den Augenblick, in dem Materie ins Immaterielle umschlägt.

Dieses Interesse an Übergangsphänomenen spiegelt sich in seiner Art wider, den Bildraum zu behandeln. Seine Kompositionen vermeiden systematisch klare Abgrenzungen, präzise Konturen, die dem Blick ermöglichen würden, sich auf formale Gewissheiten zu stützen. Alles scheint sich beständig zu verwandeln, als befände es sich in einem Zwischenzustand zwischen verschiedenen möglichen Zuständen.

Die jüngste Serie der “Burn Paintings” radikalisiert diesen Ansatz, indem sie Feuer als Transformationsmittel einführt. Das Brennerrohr wird hier zum malerischen Instrument, um verborgene Potenziale der Materie sichtbar zu machen. Diese Technik veranschaulicht perfekt die Ökonomie des Verschwindens, die das Werk bestimmt: Um zu offenbaren, muss man zerstören; um zu schaffen, muss man den Verlust akzeptieren.

Diese verbrannten Werke bewahren in sich die Spuren des Prozesses, der sie hervorgebracht hat. Sie tragen die Stigmata ihrer eigenen Entstehung in sich und materialisieren jene grundlegende Gewalt, die jeder künstlerischen Geburt vorsteht. In diesem Sinne erfüllen sie das ästhetische Programm, dem Bleckner seit seinen Anfängen folgt: dem Formlosen eine Form geben, das Unsichtbare sichtbar machen, Kunst zu einem Instrument der Offenbarung von Kräften machen, die uns übersteigen.

Diese Ökonomie des Verschwindens findet ihre letztendliche Rechtfertigung im historischen Kontext, in dem Bleckners Werk entstanden ist. Die Aids-Epidemie der 1980er Jahre konfrontierte seine Generation mit der massenhaften Erfahrung des Verschwindens. Freunde, Geliebte, Mitarbeiter: alle konnten von heute auf morgen in jene Schattenzone gelangen, in der Krankheit Lebende zu Überlebenden macht. Bleckners Kunst entsteht aus dieser Erfahrung, aus dieser Notwendigkeit, für jene Zeugnis abzulegen, die es nicht mehr können.

Doch sein Werk geht über das bloße Zeugnis hinaus und bietet eine Ästhetik des Überlebens an. Seine Gemälde klagen nicht nur über Verluste; sie entwickeln eine plastische Sprache, die eine Form der Präsenz über das Fehlen hinaus aufrechterhalten kann. Seine geisterhaften Motive, seine Transparenzeffekte, sein Spiel mit dem Vergehen schaffen einen Raum, in dem die Verstorbenen in sublimierter Form weiterexistieren können.

Die Technik des Vergehens

Bleckners technische Originalität besteht in seiner Fähigkeit, ein malerisches Vokabular des Vergehens zu entwickeln. Seine aufeinander geschichteten Lasuren, seine Transparenzeffekte, seine unscharfen Modellierungen tragen dazu bei, Oberflächen zu schaffen, die sich dem Blick niemals vollständig erschließen. Diese technische Zurückhaltung dient einem präzisen ästhetischen Anliegen: das Bild in einem Zustand der Ungewissheit zu halten, der die Erfahrung des Verlustes nachahmt.

Seine “Cell Paintings” der 1980er Jahre illustrieren diesen Ansatz perfekt. Diese farbigen Zellen, die auf dunklen Hintergründen schweben, rufen gleichzeitig die mikroskopische Schönheit des Lebendigen und dessen Verwundbarkeit gegenüber Krankheit hervor. Ihre bewusst mehrdeutige Darstellung (man weiß nie, ob es sich um gesunde oder pathologische Zellen handelt) hält den Betrachter in einer Ungewissheit, die die Angst jener Zeit widerspiegelt.

Die technische Meisterschaft von Bleckner zeigt sich in seiner Fähigkeit, Tiefeneffekte zu erzeugen, ohne auf die traditionellen Perspektivcodes zurückzugreifen. Seine Kompositionen scheinen sich allein durch ihre chromatischen Beziehungen und Materialeffekte in den Raum zu vertiefen. Diese nicht-euklidische Tiefe erinnert an mentale Räume, Territorien der Erinnerung und des Traums, in denen die gewöhnlichen physikalischen Gesetze nicht mehr gelten.

Sein Einsatz von Farbe trägt zu dieser Ästhetik der Unbestimmtheit bei. Seine Schwarztöne sind niemals absolut, sondern lassen stets andere Nuancen durchscheinen. Seine Weißtöne bewahren Spuren subtiler Färbungen, die verhindern, dass sie als reine Kontraste funktionieren. Diese raffinierte Farbökonomie schafft Atmosphären, die an das Halbdunkel von Kirchen, das gedämpfte Licht von Krankenzimmern und jene besonderen Beleuchtungen erinnern, die Momente der Einkehr begleiten.

Die jüngste Entwicklung seiner Technik zeugt von einer Radikalisierung dieses Ansatzes. Seine “Burn Paintings” führen das kontrollierte Zufällige als neuen Schöpfungsparameter ein. Das Feuer, das weiterhin unter Kontrolle des Künstlers bleibt, bringt eine unvorhersehbare Komponente ein, die den kreativen Prozess verkompliziert. Diese Technik erlaubt es Bleckner, Materialeffekte zu erzielen, die mit traditionellen Techniken nicht möglich wären.

Diese verbrannten Werke offenbaren eine besondere Schönheit, die der kontrollierten Verfallsphänomene. Sie zeigen, was man eine Ästhetik der Narbe nennen könnte, bei der die Spur des Traumas zur Quelle neuer Schönheit wird. In diesem Sinne erfüllen sie das Programm, das Bleckner seit seinen Anfängen verfolgt: die Erfahrung des Verlustes in ästhetisches Nachdenken zu verwandeln.

Die Aufmerksamkeit für Oberflächeneffekte offenbart bei Bleckner ein besonderes Verständnis von Malerei. Seine Leinwände fungieren niemals nur als einfache Bildträger, sondern als physische Objekte, deren Materie vollständig am Sinn beteiligt ist. Diese taktile Dimension seines Werks lädt zu einem kontemplativen Zugang ein, der über die bloße ikonographische Erkennung hinausgeht.

Diese bejahte Materialität unterscheidet Bleckner von den konzeptuellen Künstlern seiner Generation. Während viele die entmaterialisierten Potenziale der zeitgenössischen Kunst erforschen, bewahrt er eine Treue zur Malerei als unersetzliches handwerkliches Können. Diese Haltung ist keineswegs nostalgisch, sondern beruht auf der tiefen Überzeugung, dass bestimmte Erfahrungen nur durch die Vermittlung des malerischen Materials kommuniziert werden können.

Das Erbe und die Nachfolge

Das Werk von Ross Bleckner nimmt im zeitgenössischen Kunstgeschehen eine eigentümliche Stellung ein. Weder ganz modern noch eindeutig postmodern, entwickelt es einen Mittelweg, der Elemente beider Ästhetiken aufgreift, ohne sich auf eine von beiden zu reduzieren. Diese Zwischenposition verleiht ihm eine besondere Aktualität in einer Zeit, in der die aus dem 20. Jahrhundert stammenden ästhetischen Kategorien ihre Grenzen zeigen.

Sein Einfluss auf jüngere Generationen zeigt sich weniger durch direkte formale Abstammung als durch die Weitergabe einer künstlerischen Ethik. Bleckner hat gezeigt, dass es möglich ist, die schwersten Themen zu behandeln, ohne ins Pathos zu verfallen, vom Tod zu sprechen ohne morbide Selbstgefälligkeit und Kunst als Widerstandsinstrument gegen das Untragbare einzusetzen.

Diese Lehre klingt besonders an in einer Zeit, in der neue ökologische, gesundheitliche und soziale Krisen Künstler vor die Notwendigkeit stellen, Zeugnis abzulegen, ohne der Versuchung des Mitleidsschmachten zu erliegen. Das Beispiel Bleckners zeigt, dass es möglich ist, ästhetische Ansprüche aufrechtzuerhalten, selbst wenn die Dringlichkeit des Zeugnisses alle Abkürzungen rechtfertigen könnte.

Seine hartnäckige Verteidigung der Malerei als unersetzliches Medium hat ebenfalls seine Zeit geprägt. In einer Zeit, in der alles den Tod dieser vermeintlich veralteten Kunst ankündigte, zeigte Bleckner, dass die Malerei einzigartige Ausdrucksmöglichkeiten behält. Diese Demonstration trug zur Wiederbelebung der Malerei in den 1990er und 2000er Jahren bei.

Bleckners Werk veranschaulicht auch ein bestimmtes Verständnis von künstlerischem Engagement. Statt sich der direkten Anprangerung oder militantem Aktivismus zuzuwenden, wählte er den indirekten Weg der Andeutung, der Evokation, der Metapher. Dieser indirekte Ansatz erweist sich oft als wirkungsvoller als explizite Darstellungen, da er die Intelligenz und Sensibilität des Betrachters anspricht, anstatt sie zu zwingen.

Sein Werdegang zeugt schließlich von einer seltenen Treue zu einer kohärenten künstlerischen Vision. Seit vierzig Jahren erkundet Bleckner dasselbe ästhetische Gebiet mit einer Konstanz, die Bewunderung erzwingt. Diese Beharrlichkeit erlaubte es ihm, seine Vorgehensweise schrittweise zu vertiefen, seine Ausdrucksmittel zu verfeinern und eine Meisterschaft zu erreichen, die in einer von Neuerungen besessenen Kunstwelt immer seltener wird.

Das Werk von Ross Bleckner erinnert uns daran, dass authentische Kunst immer aus der Konfrontation mit dem Wesentlichen entsteht. Seine Gemälde, seien es geheimnisvolle Sternbilder oder flüchtige Blumensträuße, führen uns zurück zu den grundlegenden Fragen, die das menschliche Dasein stellt. Damit erfüllen sie die höchste Aufgabe der Kunst: uns poetisch in einer Welt zu verankern, die sonst unbewohnbar bliebe.


  1. Giorgio Agamben, “The Coming Community”, übersetzt von Michael Hardt, University of Minnesota Press, 1993.
  2. Sylvia Plath, “Ariel”, restaurierte Ausgabe mit Einleitung von Frieda Hughes, Harper Perennial Modern Classics, 2004.
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Referenz(en)

Ross BLECKNER (1949)
Vorname: Ross
Nachname: BLECKNER
Geschlecht: Männlich
Staatsangehörigkeit(en):

  • Vereinigte Staaten

Alter: 76 Jahre alt (2025)

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