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Susan Rothenberg: Kunst zwischen Gewalt und Neurose

Veröffentlicht am: 26 Mai 2025

Von: Hervé Lancelin

Kategorie: Kunstkritik

Lesezeit: 6 Minuten

Susan Rothenberg verwandelt Neurose in rohe Kunst. Diese beeindruckende Frau hat den Minimalismus der 70er Jahre mit ihren gespenstischen Pferden und zerteilten Körpern gesprengt. Weit entfernt von der netten Ranch-Künstlerin bleibt sie eine Raubtierin der Leinwand, die unsere durch pure malerische Gewalt verdrängte Animalität enthüllt.

Hört mir gut zu, ihr Snobs. Susan Rothenberg war keine Künstlerin, sie war eine Hexe. Eine Hexe, die die Leinwand in eine Theaterbühne verwandelte, auf der die Pferde ins Nichts galoppierten, auf der sich die Körper demontierten, um sich besser zu offenbaren, auf der jeder Pinselstrich zu einem Ur-Schrei im ohrenbetäubenden Schweigen der New Yorker 1970er Jahre wurde. Als diese Frau aus Buffalo 1975 mit ihren drei Pferdebildern im minimalistischen SoHo auftauchte, stellte sie nicht einfach Gemälde aus. Sie sprengte vierzig Jahre künstlerischer Dogmen mit einem einzigen schiefen Blick.

Denn, sehen Sie, Rothenberg beherrschte die Kunst des theatralischen Paradoxons meisterhaft. So wie Antonin Artaud die Bühne mit seinem Theater der Grausamkeit revolutionierte, verwandelte sie die Malerei in einen Raum, wo der reine Ausdruck die Darstellung ersetzte. Ihre Pferde von 1975 bis 1980 sind keine Tiere, sondern Schauspieler auf einer kargen Bühne, gespenstische Silhouetten, die die Essenz der dramatischen Bewegung verkörpern. Im “Butterfly” von 1976 ruft dieses von schwarzen Diagonalen durchkreuzte Pferd unweigerlich Artauds Masken hervor, jene von emotionaler Intensität deformierten Gesichter. Rothenberg verstand, wie der Meister des grausamen Theaters, dass wahre Kunst nicht unterhält, sondern erschüttert, nicht beruhigt, sondern beunruhigt.

Rothenbergs Genie lag in ihrer Fähigkeit, Theater ohne Kulisse zu inszenieren. Ihre Gemälde wirken wie nackte Bühnen, auf denen sich die Handlung auf das Wesentliche konzentriert: die Geste, die rohe Emotion, die Wahrheit, befreit von jeglichem Kunstgriff. “Cabin Fever” von 1976 verwandelt Klaustrophobie in einen expressionistischen Tanz, jenes Gespensterpferd, das seine unterdrückte Wut vor einem ockerfarbenen Hintergrund tanzt, der wie ein Vorhang pulsiert. Rothenberg folgte instinktiv Artauds Leitsätzen: “Man muss an einen Sinn des Lebens glauben, der durch das Theater erneuert wird.” Ihre Gemälde erneuerten den Sinn der Malerei durch eine primitive, viszerale Theatralik.

Diese theatralische Dimension erklärt, warum ihre Werke bis heute ihre Schlagkraft bewahren. Rothenberg malte keine Pferde, sie inszenierte die menschliche Animalität. Ihre Gestalten springen, scheuen, fliehen in einem mentalen Raum, in dem eine ständig dramatische Spannung herrscht. Peter Schjeldahl hatte Recht, ihre Ausstellung von 1975 als “Eureka” [1] zu bezeichnen. Es war tatsächlich ein Moment der Offenbarung, in dem die amerikanische Malerei ihre incantatorische Kraft wiederentdeckte, ihre Fähigkeit, den Betrachter zum Zeugen eines uralten Geheimnisses zu machen.

Aber Rothenberg beschränkte sich nicht auf eine einfache Anspielung auf die primitiven Künste. Ihr Ansatz offenbarte ein tiefes Verständnis der jungianischen Psychoanalyse und ihrer Archetypentheorie. Carl Gustav Jung entwickelte die Idee, dass bestimmte Bilder spontan aus dem kollektiven Unbewussten hervortreten und eine universelle symbolische Bedeutung tragen. Rothenbergs Pferde funktionieren genau wie diese jungianischen Archetypen: Sie tauchen mit der Evidenz eines wiederkehrenden Traums aus der Leinwand auf, erfüllt von einer libidinösen Energie, die die Künstlerin selbst nicht zu zähmen suchte.

Jung unterschied zwischen dem persönlichen Unbewussten und dem kollektiven Unbewussten, diesem Reservoir von Urbildern, die von der gesamten Menschheit geteilt werden. Rothenberg schöpfte direkt aus diesem zweiten Niveau, schuf Werke, die den Intellekt umgehen, um direkt unsere archaischen Triebe anzusprechen. „United States” aus dem Jahr 1975, mit seinem gespenstischen Pferd, das aus einem zweifarbigen Hintergrund auftaucht, ruft diese traumartigen Erscheinungen hervor, die Jung bei seinen Patienten analysierte: spontane Manifestationen der kollektiven Seele.

Die Künstlerin wandte unwissentlich die jungianische Methode der aktiven Imagination an, jene therapeutische Technik, bei der der Analytiker den Patienten ermutigt, den Bildern seines Unbewussten freien Lauf zu lassen. Rothenberg malte, wie man aktive Imagination praktiziert, ließ diese geheimnisvollen Pferde auftauchen, ohne zu versuchen, sie rational zu erklären. Sie erklärte übrigens: “Sie müssen Dinge finden, die Sie interessieren, und interessante Wege finden, sie darzustellen” [2]. Dieser intuitive Ansatz entspricht genau dem, was Jung empfahl: den spontan auftauchenden Bildern zu vertrauen, auch wenn ihre Bedeutung unklar bleibt.

Rothenbergs Übergang zu fragmentierten Körperteilen in den 1980er Jahren bestätigt diese jungianische Lesart. Entkörperte Köpfe, schwebende Hände, zerstückelte Körper: Motive, die die Psychoanalyse als Manifestationen des traumatisierten Unbewussten identifiziert. Doch bei Rothenberg drücken diese Zerstückelungen keine Pathologie aus, sondern offenbaren im Gegenteil eine außergewöhnliche künstlerische Gesundheit. Sie erfasste intuitiv, dass echte Kunst zuerst dekonstruiert, um dann zu offenbaren.

“Blue Head” von 1980-1981 illustriert diesen Ansatz perfekt. Dieser monumentale Kopf, der im bildlichen Raum schwebt, ruft die Archetypen der Großen Mutter hervor, die Jung analysierte, jene ur-mütterlichen Figuren, die das kollektive Vorstellungsvermögen heimsuchen. Rothenberg versuchte nicht, die jungianische Theorie zu illustrieren, sie erlebte sie durch ihre Malerei und verwandelte jede Leinwand in eine kollektive Analysesitzung.

Ihr Umzug nach New Mexico 1990 markierte eine neue Phase ihrer archetypischen Erforschung. Die amerikanische Wüste mit ihren weiten Ebenen und ihrem harten Licht weckte in ihr weitere Schichten des kollektiven Unbewussten. Ihre Gemälde aus dieser Zeit, wie “Dogs Killing Rabbit” von 1991-92, offenbaren ein brutaleres Verständnis primitiver Triebe. Jung sprach vom Schatten, diesem dunklen Teil der Persönlichkeit, den die Zivilisation verdrängt. Rothenberg gab diesem Schatten in Szenen natürlicher Gewalt Form, von einer furchterregenden Schönheit.

Diese Entwicklung bestätigt die außerordentliche emotionale Intelligenz Rothenbergs. Sie malte nicht nur Themen, sie kartografierte die geheimen Territorien der menschlichen Seele. Jede Phase ihres Werks entspricht einem tieferen Abstieg in die Schichten des Unbewussten, von den symbolischen Pferden der 1970er Jahre bis hin zu den traumartigen Szenen ihrer letzten Jahrzehnte.

Die Künstlerin arbeitete ebenfalls in der reinen Tradition der jungianischen Individuation, jenem Prozess, bei dem das Individuum nach und nach die verschiedenen Aspekte seiner Persönlichkeit integriert. Ihre seltenen Selbstporträts, wie das im “Red Studio” von 2003 sichtbare, zeigen eine Frau, die sich bewusst unvollständig darstellt, ohne Arme und Hals, eine einfache gespenstische Präsenz. Dieser Ansatz offenbart ein scharfes Bewusstsein für die Grenzen der Selbstrepräsentation, eine Demut, die Individuen kennzeichnet, die ein fortgeschrittenes Niveau der Individuation erreicht haben.

Das Genie von Rothenberg lag letztlich in ihrer Fähigkeit, Kunst in eine kollektive Therapie zu verwandeln. Ihre Gemälde funktionieren als Übergangsräume, in denen der Betrachter seine eigenen Archetypen projizieren, seine eigenen Traumata erneut erleben, seine eigenen Triebe erkennen kann. Sie schuf Werke, die heilen, ohne vorzugeben zu heilen, die offenbaren, ohne vorzugeben zu erklären.

Diese therapeutische Dimension erklärt die anhaltende Wirkung ihrer Arbeit. In einer Zeit, in der zeitgenössische Kunst sich manchmal in unnötiger Provokation oder sterilisierendem Intellektualismus zu sonnen scheint, erinnert uns Rothenberg daran, dass Malerei die Seele noch direkt berühren kann. Ihre letzten Werke, wie “Buddha Monk” von 2018-19, bestätigen diese spirituelle Berufung. Dieser meditierende Affe mit vielfältigen Gesten ruft die hinduistischen Gottheiten hervor, diese archetypischen Figuren, die die verschiedenen Aspekte des menschlichen Bewusstseins verkörpern.

Rothenberg starb im Mai 2020, aber ihr Erbe lebt in jedem Gemälde weiter, das sich noch wagt, das kollektive Unbewusste zu konfrontieren. Sie zeigte uns, dass wahre Kunst sich nicht damit begnügt, die Wände von Sammlern zu schmücken, sondern dauerhaft die Vorstellungskraft derer bewohnt, die ihr begegnet sind. In einer Welt, die von flüchtigen digitalen Bildern übersättigt ist, bewahren ihre Gemälde diese benjaminsche Aura des authentischen Kunstwerks, diese unersetzliche Präsenz, die die Kontemplation in eine spirituelle Erfahrung verwandelt.

Denn Susan Rothenberg hat niemals Pferde gemalt. Sie malte unsere Menschlichkeit im rohen Zustand, unsere tiefsten Ängste und Hoffnungen, unsere geheimsten Träume und Albträume. Sie erinnerte uns daran, dass Kunst, wenn sie ihre Wahrheit erreicht, nicht unterhält, sondern initiiert. Und diese Initiation trägt heute noch unauslöschliche Spuren in unserem veränderten Blick.


  1. Peter Schjeldahl, Kunstkritiker, zitiert in verschiedenen Quellen zur Ausstellung 1975 in der 112 Greene Street
  2. Zitat von Susan Rothenberg, Museum of Modern Art, New York.
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Referenz(en)

Susan ROTHENBERG (1945-2020)
Vorname: Susan
Nachname: ROTHENBERG
Geschlecht: Weiblich
Staatsangehörigkeit(en):

  • Vereinigte Staaten

Alter: 75 Jahre alt (2020)

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