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Wachs und Feuer: Philippe Cognée, Maler der Zeit

Veröffentlicht am: 7 März 2025

Von: Hervé Lancelin

Kategorie: Ausstellung

Lesezeit: 9 Minuten

Philippe Cognée schenkt uns Bilder, die atmen, bluten, schwitzen. Seine einzigartige Technik verwandelt unsere alltägliche Welt in eine verstörende visuelle Poesie, in der Landschaften wie Erinnerungen zerschmelzen und uns mit der zerbrechlichen Schönheit einer sich auflösenden Welt konfrontieren.

Hört mir gut zu, ihr Snobs, ich werde euch von einem Maler erzählen, der die Realität wie kein anderer zum Schmelzen bringt. Philippe Cognée ist nicht einfach ein talentierter Künstler, er ist ein Bildchirurg, ein bildlicher Pyromane, der dort operiert, wo sich unsere zeitgenössische Welt in ihrer eigenen Banalität auflöst. Es ist kein Zufall, dass dieser Mann, bewaffnet mit einem Bügeleisen wie andere mit Pinseln, zu einem der relevantesten französischen Künstler seiner Generation geworden ist.

Seine absolut singuläre Technik gleicht einer Form visuellen Sabotage. Er fotografiert die Welt, projiziert diese Bilder auf eine Leinwand, malt sie sorgfältig mit einer Mischung aus Bienenwachs und Pigmenten, dann, nun kommt der kritische Moment, legt er alles unter eine Plastikfolie, die er mit dem Bügeleisen angreift. Die Wärme verflüssigt das Wachs, verformt das Bild, und die so sorgfältig reproduzierte Realität beginnt zu schmelzen, zu rutschen, sich in einen Schatten ihrer selbst zu verwandeln. Es ist, als hätte Cognée ein Mittel erfunden, um Erinnerung direkt beim Verschwinden zu zeigen.

Diese Technik ist nicht nur eine Signatur, sie ist eine philosophische Haltung. In einer Zeit, in der uns Bilder bis zur Erstickung bombardieren, schenkt uns Cognée Bilder, die atmen, bluten, schwitzen. Denken Sie an jene Gefriertruhen, die er in den 1990er Jahren malte, diese weißen Monumente des häuslichen Lebens, die zu gespenstischen Grabstätten wurden. Oder an die Supermärkte, diese modernen Kathedralen, in denen wir um den Kapitalismus kommunizieren, die durch seine Sicht seltsam und fast abstrakt werden. Cognée löst den Alltag auf, um die brutale Poesie und beunruhigende Fragilität offenbaren.

Was mich zu seiner nächsten Ausstellung “Fragmentierte Landschaften” in der Galerie Templon vom 8. März bis 10. Mai 2025 in Paris bringt. Nach Jahrzehnten der Untersuchung unserer urbanen Umgebung richtet Cognée seinen Blick auf Wälder, Felder und das Meer. Aber erwarten Sie keine ruhigen Landschaftsbilder; diese neuen Werke sind Arenen, in denen Natur und Technik, Beständigkeit und Auflösung aufeinandertreffen.

Cognées Kunst steht in brillantem Dialog mit der Philosophie von Gaston Bachelard, für den Materie nicht nur Objekt, sondern aktiver Partner der schöpferischen Vorstellungskraft ist. In Die Psychoanalyse des Feuers schreibt Bachelard, dass “der Mensch ein Schöpfer des Feuers ist” [1]. Diese Beobachtung scheint wie für Cognée gemacht, dessen kreativer Prozess buchstäblich Hitze benutzt, um die Materie zu verwandeln. Es ist keine bloße Technik, sondern eine lebendige Metapher für unsere Beziehung zur Welt. Wie Bachelard anmerkt, ist das Feuer sowohl “intim als auch universell” [2], genauso wie die Motive bei Cognée zwischen tief Persönlichem und kollektiv Archaischem oszillieren.

Diese Dialektik der Materie steht im Zentrum von Cognées Werk. Wenn er einen Wald malt, ist das keine einfache Darstellung der Natur, sondern eine Erkundung, wie die Natur selbst bereits ein Bild in unserer von Darstellungen durchdrungenen Kultur ist. Sein Wald ist doppelt vermittelt: zuerst durch die Kamera oder das Video, mit denen er das Ursprungsbild einfängt, dann durch seinen Wachsentfaltungsprozess. Die entstehende Natur ist fremd, beunruhigend, als sähe man sie durch eine beschlagene Scheibe einer überhitzten Zivilisation.

Dieser Prozess der Verfremdung erinnert an das, was der Philosoph Martin Heidegger als “Entbergen” bezeichnete, die Idee, dass Kunst die Welt nicht einfach darstellt, sondern sie auf eine neue Weise enthüllt. In seinem Essay “Der Ursprung des Kunstwerkes” behauptet Heidegger, dass “Kunst nicht die Wiedergabe des Sichtbaren ist, sondern sichtbar macht” [3]. Die Werke von Cognée verkörpern diese Funktion perfekt: Sie reproduzieren nicht unsere Welt, sondern machen sie anders sichtbar, indem sie gerade das betonen, was wir durch ständiges Sehen nicht mehr wahrnehmen.

Nehmen Sie seine Serie “Carcasses” (2003), diese aneinandergereihten Fleischstücke, zugleich abstoßend und faszinierend. Cognée verwandelt sie in organische Monumente, in blutige Abstraktionen, die uns an unseren eigenen Fleischstatus erinnern. Die Serie bildet eine Art Arena, in der der Betrachter von diesen zeitgenössischen Memento-mori-Werken umringt wird. Hier gibt es eine direkte Konfrontation mit unserer Sterblichkeit, aber auch mit den brutalen Realitäten, die unsere sterilisierte Zivilisation zu verbergen versucht.

Hier resoniert die heideggerianische Denkweise besonders mit Cognées Werk: im Ablehnen der Akzeptanz der Welt, wie sie uns täglich präsentiert wird. Indem er die Realität verschwimmen lässt, sie zerlaufen lässt, lädt Cognée uns ein, sie wirklich zu sehen, vielleicht zum ersten Mal. Wie Heidegger schreibt: “Ursprüngliche Wahrheit ist nichts anderes als das Entbergen der Dinge, das Erscheinen des Seins” [4], ein Satz, der als Manifest für das gesamte Werk von Cognée dienen könnte.

Diese Suche danach, was sich unter der Oberfläche der Dinge verbirgt, ist besonders deutlich in seiner Serie “Landschaften vom Zug aus gesehen” (2013). Hier fängt Cognée die Welt mit großer Geschwindigkeit ein, aus den Fenstern eines TGV. Das Ergebnis ist keine bloße verschwommene Darstellung einer schnellen Landschaft, sondern eine Meditation über die Wahrnehmung selbst in einer Welt, die sich ständig bewegt. “Mehr als das Bild einer Landschaft gebe ich den Ablauf der Zeit während ihrer Betrachtung in meinem Gemälde wieder”, sagt er [5]. Diese Aussage ist tief heideggerisch in ihrem Verständnis von Kunst als Offenbarung zeitlicher Wahrheit, nicht als bloße Wiedergabe statischer Realität.

Es wäre jedoch ein Fehler, Cognée nur durch das Prisma der deutschen Philosophie zu betrachten. Seine Arbeit ist auch tief in der Malereigeschichte verwurzelt, insbesondere in der Tradition der Vanitas. Seine verwelkten Blumen, diese Pfingstrosen und Amaryllis, die im Moment ihres Zerfalls eingefangen sind, fügen sich in diese lange Linie von memento mori ein. Aber im Gegensatz zu klassischen Vanitas, die kodifizierte Symbole zur Todesdarstellung verwendeten, arbeitet Cognée direkt mit der vergänglichen Materialität der Welt.

Seine monumentalen Blumen, die 2020 in “Carne dei fiori” (Fleisch der Blumen) ausgestellt wurden, sind nicht einfach Darstellungen von Verfall, sondern Verkörperungen dessen in der malerischen Materie selbst. Das Wachs, das läuft, sich verformt und stellenweise aufgerissen wird, wird zur perfekten Metapher für das organische Leben in seiner Zerbrechlichkeit. Wie er selbst erklärt: “Diese verwelkten Blumen, am Ende ihres Lebens angekommen, verweisen auf unsere eigenen zerbrechlichen und vergänglichen Existenzen” [6].

Dieses ausgeprägte Bewusstsein für Zerbrechlichkeit zeigt sich auch in seiner Herangehensweise an die Architektur. Die Gebäude von Cognée, diese vermeintlich soliden und dauerhaften Strukturen, lösen sich vor unseren Augen auf, als wäre die Unverrückbarkeit der gebauten Welt selbst eine Illusion. Seine Serie “Google Earth” treibt diese Logik noch weiter, indem sie Satellitenansichten von Städten in abstrakte grafische Konfigurationen verwandelt, die wie verschlüsselte Schriften erscheinen. Hier offenbart sich wie eine Archäologie der Gegenwart, eine Art, unsere Zivilisation so zu betrachten, als wäre sie bereits in Trümmern.

Es ist genau diese archäologische Qualität, die Cognée wirklich mit dem Denken von Gaston Bachelard verbindet. In La Terre et les rêveries du repos erforscht Bachelard unsere intime Beziehung zur irdischen Materie, unsere Art, unsere Träume und Ängste darauf zu projizieren. Er schreibt, dass “la matière est notre miroir énergétique ; c’est un miroir qui focalise nos puissances en les illuminant de joies imaginaires” [7]. Dieser Satz könnte die Beziehung von Cognée zum Wachs perfekt beschreiben, dieses Material, das er nicht einfach als Medium, sondern als aktiven Partner im kreativen Prozess verwendet.

Wachs, diese Substanz, die vom festen in den flüssigen Zustand und umgekehrt übergehen kann, wird für ihn zum Mittel, die Plastizität der Realität selbst zu erforschen. Wie er sagt: “Die Wachs ist ein magisches Material… Es scheint die Farbe zwischen Hintergrund und Oberfläche einzuschließen. […] Was mir gefällt, ist, dass es ein zerbrechliches und zartes Material ist, das die Möglichkeit birgt, sich durch Wärme ständig zu verwandeln und so das Subjekt verschwinden zu lassen” [8]. Hier findet sich genau diese bachelardsche Dialektik zwischen Beständigkeit und Wandel, zwischen Ruhe und Aktion.

Die Tatsache, dass Cognée Wachs wählt, ein Material, das mit den Totenporträts des römischen Ägyptens verbunden ist, ist kein Zufall. In dieser Wahl liegt ein tiefes historisches Bewusstsein, eine Weise, seine zeitgenössische Arbeit mit einer jahrtausendealten Tradition der Darstellung des Menschen angesichts seiner Endlichkeit zu verbinden. Aber es gibt auch eine zutiefst subversive Geste: Während die Fayum-Porträts darauf abzielten, das Bild des Verstorbenen für die Ewigkeit zu bewahren, verwendet Cognée dieselbe Technik, um die unabwendbare Auflösung aller Dinge zu zeigen.

Diese Spannung zwischen Bewahrung und Auflösung steht im Mittelpunkt seines künstlerischen Projekts. Angesichts einer Welt, in der alles zum Bild wird, in der sich die Realität selbst in ihrer medialen Darstellung aufzulösen scheint, bietet Cognée ein Gemälde an, das diese Auflösung akzeptiert und integriert, sie jedoch zu einem Akt des Widerstands macht. Indem er die Zerbrechlichkeit der Welt zeigt, bekräftigt er paradoxerweise die Beständigkeit unseres Bedürfnisses, sie darzustellen und durch Kunst zu verstehen.

Seine Arbeit ist besonders relevant in unserer Zeit der Klimaanxiety. In seinen neuen Landschaften, die in der Galerie Templon ausgestellt sind, verwendet Cognée seine Enkaustik-Technik, um “den Eindruck von in Wachs versunkenen, fast unerkennbaren, bis zur Abstraktion verschwommenen Sujets zu erzeugen” [9]. Diese natürlichen Szenen, gleichzeitig faszinierend und beunruhigend, stellen uns vor ein Dilemma: die Natur in all ihrer bedrohten Majestät zu betrachten oder zu handeln. Jede Landschaft zeugt von einem unversöhnlichen Missverständnis zwischen Natur und Menschheit und feiert die Schönheit einer von Klimaanxiety heimgesuchten Welt, die unsere Gesellschaften verzehrt.

Was bei Cognée bemerkenswert ist, ist, dass er dieses Niveau kritischer Spannung aufrechterhält und gleichzeitig Werke von eindrucksvoller Schönheit schafft. Es gibt eine fast körperliche Sinnlichkeit in seiner Art, das Material zu bearbeiten, eine offensichtliche Freude an Farbe und Textur, die die Schwere seiner Themen perfekt ausgleicht. Diese produktive Spannung erinnert an das, was Heidegger den “Kampf” (Streit) zwischen Welt und Erde im Kunstwerk nannte, diesen ständigen Kampf zwischen Bedeutung und Materie, zwischen dem, was sich offenbart, und dem, was sich zurückzieht.

Um die Worte des Künstlers aufzugreifen: “Es gab bei mir immer den Wunsch, gleichzeitig zu bauen und zu zerstören, um einen dritten Zustand in diesem Zwischenzustand zu finden” [10]. Genau in diesem Zwischenzustand liegt die Kraft seiner Arbeit, weder ganz abstrakt noch ganz gegenständlich; weder vollständig in der Feier der Welt, noch ganz in ihrer Kritik; sondern in dieser Zwischenzone, in der Kunst wirklich notwendig wird, um unsere Lage zu bedenken.

Also ja, gehen Sie zur Ausstellung “Paysages fragmentés” in der Galerie Templon. Dort sehen Sie einen Künstler auf dem Höhepunkt seiner Kunst, einen Maler, der eine einzigartige Art gefunden hat, unsere zerfallende Welt darzustellen, ohne jemals der Verzweiflung nachzugeben. In einer künstlerischen Landschaft, die oft zwischen postmodernem Zynismus und reaktionärer Naivität gespalten ist, schlägt Cognée einen dritten Weg ein, den eines kritischen Engagements, das die Schönheit niemals aufgibt.

Und wenn Sie nicht hingehen, nun ja, dann haben Sie die Gelegenheit verpasst, einen der größten zeitgenössischen französischen Maler zu sehen, wie er uns nicht zeigt, wie die Welt ist, sondern wie sie sich vor unseren Augen auflöst und in der transformierenden Wärme seiner Vision neu gestaltet.


  1. Bachelard, Gaston. Die Psychoanalyse des Feuers. Gallimard, 1938.
  2. Ebd.
  3. Heidegger, Martin. Wege, die nirgendwohin führen. Gallimard, 1962.
  4. Ebd.
  5. Cognée, Philippe. Zitiert bei Guillaume Lasserre. “Philippe Cognée, die Realität überschreiten”. Mediapart, 4. November 2023.
  6. Cognée, Philippe. Interview mit Isabelle Capalbo. “Philippe Cognée: Carne dei fiori, die tragische und sinnliche Schönheit der Blumen”. Artistikrezo, 5. Juni 2020.
  7. Bachelard, Gaston. Die Erde und die Träumereien der Ruhe. José Corti, 1948.
  8. Cognée, Philippe. Interview mit Isabelle Capalbo. “Philippe Cognée: Carne dei fiori, die tragische und sinnliche Schönheit der Blumen”. Artistikrezo, 5. Juni 2020.
  9. Pressemappe, Ausstellung “Philippe Cognée, Paysages fragmentés”, Galerie Templon Paris, 2025.
  10. Cognée, Philippe. Interview mit Philippe Piguet. Art Interview, Juni 2021.
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Referenz(en)

Philippe COGNÉE (1957)
Vorname: Philippe
Nachname: COGNÉE
Geschlecht: Männlich
Staatsangehörigkeit(en):

  • Frankreich

Alter: 68 Jahre alt (2025)

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